Spanien: Mythos 1898

Ausgabe 97: Amazonas
Ausgabe 97: Amazonas

Viele kleine und größere Jubiläen zeichnen 1998: Die Schriftsteller Brecht und García Lorca wurden vor 100 Jahren geboren, vor 100 starb die österreichische Kaiserin Sissi im Genfer Hôtel Beau Rivage, 400 Jahre früher der spanische König Philipp II und 250 Jahre vor ihm legte der Kölner Erzbischof Konrad von Hochstaden den Grundstein für seinen neuen Dom. Die für ihren Schnaps berühmte peruanische Stadt Pisco erhielt 1898 die Stadtrechte, und für vier heutige Staaten brachte das Jahr einschneidende Veränderungen, die auch auf die Welt von heute fortwirken: Die USA wurden eine interkontinentale Macht, die Philippinen erhielten neue Herren, Kuba erhielt eine bare Unabhängigkeit, Spanien verlor die letzten Reste seines früh neuzeitlichen Imperiums.

 

Vor allem dort tauchen nun Publikationen und Vortragsreihen auf und es wird auf unterschiedlichster Art versucht zu resümieren. Nicht überraschend wird dies von imagewirksamen Kampagnen von Verlagen und anderen Medien, aber auch von der spanischen Politik zu eigenen Zwecken instrumentalisiert spanische Politiker klopfen sich auf die Schulter und sagen: ,,En este 98 España va bien, aunque en aquel otro iba fatal". So wie all die Schubert-, Cervantes- oder García-Lorca-Jahre im 'markthaftesten' Sinne von einer 'invisible hand' gesteuert werden, taucht auch ,98" aus der rein akademischen Diskussion auf, denn der Kulturbetrieb braucht seine Stichjahre.

 

Gleichwohl erscheint derzeit eine beachtliche Vielzahl von qualitativ hochwertigen Publikationen zu dem Thema. Stichhaltig begründet Santos Juliá die Kommemoration in der von ihm herausgegebenen Memoria del '98: „Sí, ſtiene sentido como lo tuvo recordar en su día la guerra civil o, más recientemente, la transición a la democrácia: son los tres acontecimientos decisivos en la formación del Estado espanol y de nuestra cultura política." Gerade die Entmythologisierung der ,,Katastrophe von 1898" bietet für Spanien, aber auch für Kuba, die Möglichkeit, die Mythen der Gegenwart durch die Revision und Relativierung der Ereignisse von damals von ihrem Pathos und ihren Lügen ein Stück zu entfernen.

 

Unser Wunsch ist es, im Schwerpunkt der aktuellen MATICES einige Gesichtspunkte dieses Themas zu beleuchten, die das Ganze im Hintergrund transparent werden lassen. Wem das nicht genügt nehme die kommentierten Literaturhinweise als Leitfaden für weitere Lektüren.

 

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