"Es soll ja keine Berliner Mauer werden..."

Melilla soll mit einer Mauer vor Einwanderern geschützt werden

von Udo Löffler

1998 feiert die Stadt Melilla zwei Großereignisse, die gegensätzlicher nicht sein könnten: Zum ersten feiert die an der marokkanischen Küste gelegene Stadt mit großem Brimborium 500 Jahre Zugehörigkeit zu Spanien. Wie schön es doch sei, schwärmen die Festredner, daß vier Religionen und ethnische Gruppen so friedlich und harmonisch auf zwölf Quadratkilometern zusammenleben können. Zur gleichen Zeit inspizieren Beamte der Guardia Civil die 10 km lange grüne Grenze zu Marokko und tüfteln den Verlauf der Mauer aus, die ab Herbst Spanien vor illegalen Einwanderern aus Afrika schützen soll.

 

Es soll ja keine Berliner Mauer werden...” versuchte Innenminister Jaime Mayor Oreja im Januar sein Vor-haben zu rechtfertigen. Vergebens: die sozialistische Opposition im spanischen Parlament empörte sich medienwirksam über die Mauer der "Schande und der Inhumanität". Willy Meyer, Sprecher der Izquierda Unida (IU), bezweifelt schlicht den Sinn des Schutzwalles, denn Menschen, die vor Bürgerkrieg und Hunger flüchten, ließen sich doch nicht von einer Mauer aufhalten. Die spanische Regierung versucht die Verantwortung für unpopulären Maßnahme auf die EU abzuwälzen, schließlich komme man ja nur seinen Verpflichtungen aus dem Schengener Abkommen nach, Europas Außengrenzen abzusichern. 1995 vereinbarten die Mitgliedsstaaten des Schengener Abkommens, zu dem Spanien gehört, seinen Bürgern innerhalb Europas Binnengrenzen kontrollfreies Reisen zu ermöglichen. Kehrseite dieser Großzügigkeit ist die rigorose Sicherung der Außengrenzen der EU. Daß nun Spanien die pessimistische Vision der Festung Europa mit Beton manifestiert, hängt mit der geographischen Nähe Spaniens zu Afrika zusammen.

 

Drogenhandel und Schlepperbanden

 

Seit einigen Jahren nehmen im Süden Spaniens zwei Bereiche des organisierten Verbrechens schneller zu als die spanische Polizei diese überhaupt registrieren kann: Drogenhandel und Menschenhandel. Die Drogen werden aus den meist südamerikanischen Erzeugerländern via Afrika auf die iberische Halbinsel geschmuggelt. Und die Drahtzieher der Schlepperbanden haben schnell begriffen, daß sich mit dem Elend vieler Menschen eine goldene Nase verdienen läßt. Man ist einreisewilligen EU-Ausländern bei dem Behördenmarathon auf die Art behilflich, daß das Aufnahmeland, also Spanien, über die Einreise erst gar nicht informiert wird.

 

Neben den Schleppern verdienen sich auch spanische Fischer durch den Fährverkehr aus Afrika nach Feierabend ein Zubrot. Daß diese Ausflüge nicht ganz ungefährlich sind, zeigt ein Blick in spanische Zeitungen: Fast wöchentlich finden sich Meldungen über gekenterte zweckentfremdete Fischerboote. Niemand weiß genau, wieviel Menschen bei diesen Transporten schon ertrunken sind.

 

Aus der Sicht des Einwanderers ist es daher natürlich komfortabler und sicherer, über die grüne Grenze nach Melilla zu gelangen und dann mit der Fähre nach Málaga oder Almería überzusetzen. Denn, so erklärt Faustino Díaz, Pressesprecher der spanischen Botschaft in Bonn: "Wer erst einmal Melilla und damit spanischen Boden betreten hat, kann unbehelligt nach Spanien übersetzen". Deshalb ist die Konstruktion eines 10 km lagen Schutzwalles nur eine Maßnahme innerhalb des sogenannten "Plan Sur", den Polizeichef Juan Cotina im Januar der Öffentlichkeit vorstellte. Mit einem Budget von 12 Millionen US-Dollar bis 1999 soll entlang der imaginären Linie Murcia, Jaén, Córdoba, Sevilla, Huelva, Ceuta und Melilla das Personal aufgestockt werden. Dem organisierten Verbrechen und den Netzen illegaler Einwanderer den Kampf zu Luft, zu Land und zu Wasser wird damit der Kampf angesagt. Besonders stolz präsentierte Juan Cotina die neue Spezialeinheit Udyco (Unidades de Drogas y Crimen), 1.000 Mann stark und in Málaga stationiert, die dem organisierten Verbrechen das Leben zumindest schwermachen soll.

 

Ein einseitiges Verhalten gegenüber Marokko kann man den Spaniern aber nicht vorwerfen, denn Innenminister Oreja hat sich schon einige Male mit seinem marokkanischen Amtskollegen Dris Basri getroffen, um über ein gemeinsames Vorgehen gegen illegale Einwanderer zu beratschlagen. Auch Delegierte Ceutas und Melillas treffen sich regelmäßig mit Vertretern ihrer afrikanischen Nachbarstädte - bislang allerdings ohne große Erfolge. Finanzielle Hilfe, zum Beispiel bei der Abwicklung von Wahlen, soll die Marokkaner aufmuntern, den Spaniern einen Teil ihrer Arbeit abzunehmen und die Fluchtwelle nach Spanien und nach Europa zu stoppen.