Jeder von uns hat noch die Bilder aus der Kindheit im Kopf: Bilder aus Filmen, Büchern und natürlich die Geschichten über den Amazonas. In vielen von diesen Geschichten geht es um halbnackte Menschen mit Lendenschurz, die durch den Urwald laufen und Tiere jagen. Es geht um Anakondas, die einen ganzen Menschen fressen können, um Kannibalen, die seit Urzeiten isoliert sind, weil sie angeblich extrem aggressiv sind. Es sind Geschichten von exotischen Urvölkern, die ihr Wissen über die Natur über Generationen hinwegweitergeben und sie somit bewachen und bewahren. All diese Vorstellungen des Amazonas sind ganz weit weg von der aktuellen Lage des Gebietes. Die Erinnerungen und Ideen unserer Kindheit zeigen uns heute, wie wenig wir noch von einem so wichtigen Gebiet wissen, denn seit der Entdeckung Amerikas bis heute hat die Region des Amazonas eine wichtige Rolle für die Natur und letztendlich auch für uns Menschen gespielt.
Der Amazonas ist nicht nur eine Region, sondern auch mit Abstand der wasserreichste Fluss der Erde. Es ist schwierig sich vorzustellen, was das tatsächlich bedeutet. Zur Veranschaulichung sei an dieser Stelle gesagt, dass allein die Mündung des Amazonas 70-mal mehr Wasser führt, als der Rhein. Der Amazonas-Fluss verläuft durch Peru, Bolivien, Kolumbien, Venezuela und Brasilien, und ist ein Zusammentreffen mehrerer Quellflüsse. Er hat ein ganzes Gebiet so stark geprägt, dass es seinen Namen trägt. In dem Gebiet sind zahlreiche Tiere und Pflanzen zuhause, die teils noch unentdeckt sind. Man erzählt sich, es gebe dort rosa Delfine sowie eine Ursprache. Im Amazonas befindet sich der Reichtum und die Vielfalt von tausenden Jahren der Evolution.
Mit dieser Ausgabe möchte matices euch einladen, euch einen ersten oder vielleicht bereits tieferen Eindruck vom Amazonas zu schaffen. Wir porträtieren einige der aktuellen Bedrohungen des Amazonas, zeigen Zukunftsperspektiven der Region auf und berichten über Akteure, die im Amazonas leben und sich gegen die Zerstörung ihr Zuhauses wehren. Der Amazonas ist ein Nährboden für Konflikte: Je reicher eine Region ist, desto häufiger treten dort Konflikte auf, da alle vom Reichtum profitieren wollen. Von internationalen Pharmakonzernen bis zu lokalen Viehzüchtern – gar völlig unterschiedliche Interessengruppen halten den Amazonas im Auge, der ständig von politischen Ereignissen betroffen wird. Die Machtübernahme von Bolsonaro in Brasilien, der Friedensvertrag in Kolumbien sowie die aktuelle Diskussion rund um die Rolle von Europäern in der Region sollen als Einleitung und zur Verbildlichung des Reichtums und der Vielfalt im Amazonas dienen. Zudem zeigen wir in dieser Ausgabe eine Fotostrecke, die von den Konflikten der Region geprägt ist und diese porträtiert.
Das Redaktionsteam von matices möchte euch einladen, euch weiter - und vor allem kritisch - mit den Konflikten im Amazonas auseinanderzusetzen. Wir hoffen, dass diese Ausgabe eine aufschlussreiche Lektüre für euch ist und ihr uns somit darin bestärkt, weiterhin vielseitig und kritisch über Lateinamerika, Spanien und Portugal zu berichten.
Gesellschaft
Schwerpunkt: Amazonas Kulturell-ökologische Vielfalt auf der Kippe?
Kultur
Rezensionen
Ein Forscher erfüllt sich einen Lebenstraum
Mit der Biodiversität des Amazonas ist heute unausweichlich das wissenschaftliche Vermächtnis von Alexander von Humboldt verbunden. 5 Jahre lang kämpfte sich der vor Neugier brennende preußische Wissenschaftler über und durch Regenwald, (Schnee-)Berge, Sumpfgebiete und Steppe. Auf der Suche nach neuem Wissen sammelte er unzählige Pflanzen, Tiere und Gestein. Zum ersten Mal schaffte es ein Mensch, die weitreichende Biodiversität und kulturelle Vielfalt einer Region einer breiten Weltöffentlichkeit näher zu bringen und veränderte damit die menschliche Vorstellung von der Welt. Bis heute zeichnet ihn sein transdisziplinäres Denken beispiellos aus, denn wie kein*e andere*r zu seiner Zeit, brachte er die unterschiedlichsten Wissensbereiche zusammen. Dieses Jahr jährt sich der Geburtstag des Entdeckers, der dem Entdecken eher kritisch gegenüberstand, zum 250. Mal. Wie viel ist von der Humboldt’schen Wissenschaft heute noch auffindbar? Ein Gespräch mit dem Romanisten und Humboldt- Autor Ottmar Ette.
Interview von Julia Brekl
Lateinamerikanische Filme auf der Berlinale 2019
Ein Bootcamp mit einer Einheit jugendlicher Paramilitärs, die mitten im Dschungel um ihr Überleben kämpfen, ist der Schauplatz des spektakulären Survival-Films MONOS von Alejandro Landes. Ohne ihn genauer zu benennen, ist der langjährige kolumbianische Bürgerkrieg die wichtigste Referenz für dieses Werk, das eine beunruhigende Aussicht auf unsere Zukunft wirft. Auch die Filme, die auf der diesjährigen Berlinale aus Brasilien oder Guatemala präsentiert wurden, sind Zeugnis kritischer Stimmen, die die Zerrissenheit und zunehmende Spaltung der lateinamerikanischen Gesellschaft spiegeln.
von Sonja Hofmann
Cafe Tacuba - Cafe Tacuba 1992
Mexiko Stadt, Ende der 80er Jahre. Beeinflusst durch englischsprachige Rockbands dieser Zeit wächst die Zahl der Anhänger in der Szene. Eine Rockergruppe aus vier jungen Männern der Mittelschicht spielt in den Bars der Stadt. Auf der Suche nach ihrer mexikanischen Identität erfindet sich die Band neu und nimmt den Namen Café Tacuba an. Dadurch befreit sie sich von den Grenzen, die das Rock-Genre aufzeichnet, und ihr musikalisches Konzept wird experimentell, raffiniert und vielfältig...
von Gastón del Solar Falen