Musikrezensionen 97

Ivan Mamão Conti

Ivan Mamão Conti - Poison Fruit

Der 1946 geborene Musiker aus Rio de Janeiro gilt als einer der weltbesten Schlagzeuger. International bekannt wurde er vor allem durch sein Mitwirken bei der legendären Jazz-/ Funk-Formation Azymuth. Conti hat im Laufe seiner Karriere aber den musikalischen Genre- mix zwischen Samba, HipHop und Elektronik nie gescheut. Nach über 20 Jahren erscheint mit „Poison Fruit“ endlich mal wieder ein weiteres Soloalbum. Die CD präsentiert 11 reguläre Titel zwischen dem Opener „Aroeira“ bis hin zu „Tempestades“. Dazu kommen fünf weitere Remixe und Dubs, darunter auch der remixte Titeltrack „Poison Fruit“. Zu den Gästen gehören u.a. Alex Malheiros (Azymuth), Contis Sohn Thiago Maranhão sowie der Londoner Produzent Daniel Maunick. Conti schlägt damit einen eleganten Bogen von Samba und Jazz hin zu Elektronik und Dance. Insgesamt ein frisches Werk, dem man anmerkt, dass hier absolute Profis zusammengearbeitet haben. So schließt sich der Kreis zu Azymuth, deren Debüt „O Fabuloso Fittipal- di“ 1973 erschien, ein Tribut an den zweifachen Formel-1-Weltmeister.

Frank Keil 

Javier Ruibal - Paraísos mejores

Der Musiker Javier Ruibal ist in Deutschland eher unbekannt, in Spanien hingegen wurde der 63-jährige im Jahr 2017 mit dem „National Music Award“ für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Auf seinem neuen Album begibt er sich auf die Suche nach dem Paradies in Zeit und Raum und dreht direkt in den beiden ersten Titeln voll auf: Während er uns in „Tu divo favorito“ klanglich andeutungsweise in den New-Orleans-Jazz entführt, auf einer Reise durch die verschiedenen Viertel New Yorks, springt ihm im zweiten Titel der König des Merengue zur Seite, Juan Luis Guerra, um ein karibisch leichtes Liebeslied zu intonieren. Ruibal, der sowohl Einflüsse aus dem Flamenco, dem Rock, dem Jazz, dem Tango oder der maghrebinischen Musik verarbeitet, singt einen Tanguillo zu Ehren der Flamencotänzerin Carmen Amaya, eine Ballade über das Ende der Welt, oder mit dem brasilianischen Gitarristen Chico César ein Latin-Jazz-Rock-Stück über die „Black Star Line“, eine Reederei, die ehemalige Sklaven aus Südamerika günstig zurück in ihre afrikanische „Heimat“ bringen sollte. Mit Hilfe seines Sohnes hat Ruibal ein abwechslungsreiches und musikalisch dichtes Album geschaffen.

Torsten Eßer

Itiberê Orquestra Família - Pedra do Espia

Der brasilianische Jazzmusiker Itiberê Zwarg stammt aus São Paulo und ist Gründungsmitglied von O Grupo, der bekannten Band des Multiinstrumentalisten Hermeto Pascoal. Deren Universal Music hat weltweit für Schlagzeilen gesorgt, Pascoal hat den Jazz revolutioniert und gilt als Antwort auf Sun Ra. 2001 hat Zwarg einen Studentenkurs an der Villa-Lobos School Of Music in Rio de Janeiro abgehalten, dessen Ergebnis als orchestrales Werk außerhalb Brasiliens aber nur wenig Beachtung fand. Das auf brasilianische Musik spezialisierte britische Far Out-Label hat diese Aufnahmen jetzt digitalisiert und auf einer 16 Stücke umfassenden Doppel-CD wiederveröffentlicht. „Na Carioca“, „Arco-Iris de Som“, „Vale de Luz“ oder „Pedra do Espia“ und die restlichen Stücke bieten exzellente brasilianische Musik rund um Jazz. Musiker*innen wie João Bittencourt (Klavier, klassische Musik) oder Mariana Bernardes (Sängerin) sind bis heute bekannt und aktiv. „Pedra do Espia“, benannt nach einem Lieblingsplatz von Itiberês Kindheit, macht auch nach 18 Jahren Reifezeit Lust auf mehr.

Frank Keil