"Wenn man die Welt retten will, ist das nicht so einfach."

Ein Gespräch mit Liedermacher und Autor Lluís Llach

Der katalanische Liedermacher und Schriftsteller Lluís Llach hat seinen zweiten Roman „Die Frauen von La Principal“ veröffentlicht. Auf der lit.COLOGNE in Köln stellte er ihn dem deutschen Publikum vor. Torsten Eßer hat ihn dort getroffen.

von Torsten Eßer

Was gefällt Ihnen mehr, Liedtexte schreiben oder einen Roman?

In der Musik hat es mir immer mehr gefallen, die Musik zu schreiben, als den Text. Da ich mit meinen Texten immer den Anspruch hatte, die Welt zu retten, dauerte das seine Zeit, ich komponierte immer erst die Musik als Rahmen. Den einzigen Verdienst, den ich mir als Liedtexter zurechnen kann, ist, dass man meine Anstrengung nicht hört. Beim Roman fühle ich mich freier. In einem Lied muss alles kompakt sein, im Roman kannst du Schattierungen reinbringen, Verschachtelungen usw.

 

Wobei manche Ihrer Liedtexte – L’Estaca z.B. – nicht gerade kurz sind…

Haha, es gibt sogar noch längere, aber wenn man die Welt retten will, ist das nicht so einfach…

 

Der Roman spielt auf einem Weingut. Haben Sie diesen Ort gewählt, weil Sie auch ein Weingut besitzen?

Alles spielt im Priorat, einer der wichtigsten Weinregionen in Katalonien, weil ich diese Landschaft seit meiner Kindheit sehr gut kenne. Dort habe ich den Ort Pous angesiedelt und die Region dann Abadia genannt.

 

Erfreulicherweise muss man sich als Weinbauer heute nicht mehr mit der Reblaus rumschlagen…

Nein, aber Ende des 19. Jahrhunderts schon. Seither besteht fast die gesamte Rebenkultur in Europa aus Reben, die auf amerikanische Wurzelstöcke aufgepfropft wurden, die sind nämlich gegen die Reblaus resistent. Das hat über 30 Jahre gedauert. Das Erstaunliche war, und da beginnt ja der Roman, dass Filoxera sich schnell über ganz Europa ausgedehnt hat, auch über die Pyrenäen kam, dann aber südlich von Barcelona anhielt. Deswegen war der Priorat für rund 30 Jahre eine der wenigen Weinregionen in Europa, die noch Erträge brachten. Und das machte einige Weinbauern unendlich reich. Denn wenn man nicht dort kaufte, musste man den Wein noch teurer aus Amerika importieren. So konnte sich die Region wirtschaftlich, aber auch kulturell, sehr entwickeln, bis zu dem Tag, als Filoxera sich entschloss, doch noch weiter zu ziehen. Im Roman ist da auch nichts erfunden, das sind die historischen Fakten.

 

Wieso sind die Hauptfiguren des Romans drei Frauen?

Mich interessierte sehr die Rolle der Frau in der spanischen Gesellschaft zu dieser Zeit. Aber nicht der armen, hilflosen Frau, sondern von einer, die genug finanzielle Mittel hat, Macht zu erlangen, in einer machistischen Gesellschaft. Wie spielt sie das Spiel mit dem auf allen gesellschaftlichen Feldern gegenwärtigen Machismo, um siegreich zu sein? Das wollte ich zeigen. Es laufen ja mehrere Handlungsstränge parallel, aber dieser, der zeigt, wie die drei mächtigen Frauen in drei verschiedenen Epochen mit diesem Kampf umgehen, war mir der Wichtigste.

 

Gab es denn im 19. Jahrhundert solche Frauen?

Ja, es gibt Beispiele. In Katalonien existierte eine spezielle Erbrechtsform, das Erbe ging nur an eine Person, und das konnte – seltener natürlich - auch eine Frau sein: die sogenannte „pubilla“. Und die konnte sehr viel erben...

 

Und wie kam es zu der Vermischung eines historischen Romans mit einer Kriminalgeschichte?

Eigentlich bin ich beim Schreiben ein Chaot, aber bei meinem ersten Roman hatte ich mir am Anfang so etwas wie ein Drehbuch gemacht. Da mich das Lernen aber schon immer mehr interessiert hat als die Perfektion, dachte ich mir bei diesem Buch, das zu lassen. Ich wusste nur, dass die Handlung im Priorat spielen und mit einer reichen Frau im 19. Jahrhundert beginnen sollte, und dass irgendwie drei Marias auftauchen mussten. So ging es los. Eines Tages hatte ich Lust jemanden zu töten und baute einen Mord in die Geschichte ein, was wiederum dazu führte, dass ich diese Kriminalgeschichte erfinden musste. Auch wollte ich jemanden mit einer komplizierten Sexualität in die Geschichte einbauen, einen Bisexuellen, was noch schlimmer ist, als – so wie ich - ein Homosexueller zu sein. Und so habe ich immer weiter improvisiert, ohne Leitfaden.

 

Weite Teile des Romans spielen in der Franco-Zeit, aber dafür gibt es wenig Kritik an den damaligen Verhältnissen und Verbrechen…

Ich habe mich schon in meinem ersten Roman gerächt und sehr viel an dieser Zeit kritisiert. Diesmal dachte ich, wenn ich die gesellschaftlichen, moralischen und kulturellen Zusammenhänge beschreibe, reicht das schon als Kritik am Franquismus. Man muss es nicht immer plakativ tun, so wie in meinem ersten Buch. Darum lasse ich auch den Polizisten eher human erscheinen.

 

Mit Kritik an der Kirche bzw. ihrer Vertreter wird hingegen nicht gespart…

Zunächst einmal bin ich militanter Atheist, auch weil ich sechs Jahre in einem Mönchskolleg zur Schule gegangen bin. Aber man kann auch nichts in der Geschichte Spaniens der letzten Jahrhunderte erklären, ohne die dämonische Präsenz der Katholischen Kirche zu behandeln. Auch den Franquismus nicht. Nicht nur weil die Kirche sich daran aktiv beteiligt hat, sondern vor allem, weil sie ein Ambiente der Moral und Angst geschaffen hat, das Francos Herrschaft stabilisierte.

 

Nun zu etwas Anderem. Wie gefällt Ihnen denn die Arbeit als Abgeordneter?

Ein Desaster! Etwa im Jahr 2007 zog ich mich von der Bühne zurück und plante, fünf Jahre lang nicht in die Öffentlichkeit zu gehen. Ich schrieb mein erstes Buch, ohne es zu veröffentlichen, fuhr in den Senegal und gründete dort eine Stiftung u.v.m. Aber jetzt bin ich wieder eine öffentliche Person, ein Symbol des Widerstands etc. Darum bin ich äußerst independista, damit das schnell über die Bühne geht und ich wieder meine Ruhe habe. In anderthalb Jahren ist es mit der Unabhängigkeit soweit (lacht!), wir Künstler dürfen doch träumen…

 

Sie sind Mitglied bei „Junts pel Sí“…

Ja, eine politische Gruppe, die die Selbstbestimmung für Katalonien erreichen will, ohne ideologische Verortung links oder rechts. Wir wollen ein Referendum im September abhalten. Ich bin dort aber nur auf der Durchreise. Wenn das Ziel erreicht ist, oder aber ein wichtiger Schritt in diese Richtung, dann höre ich auf. Ich möchte nicht Politiker werden.

 

Hat der (Finanz)Skandal um Jordi Pujol und seine Familie der Sache der Unabhängigkeit geschadet?

Ich verstehe, dass es von Deutschland aus betrachtet so aussieht bzw. –sah, als ob Pujol ein Verfechter der Unabhängigkeit sei, aber das war er nie. Er hoffte immer, dass Katalonien einen Platz IN Spanien finden würde, und das war für die echten Unabhängigkeitsanhänger ein Problem. Insofern beschädigt das zwar ein wenig Kataloniens Außenansicht und ist für seine Partei nicht gut, aber für unsere Sache ist es höchstens ein Kollateralschaden.

 

Zu der lit.Cologne-Lesung heute Abend werden rund 700 Leute kommen, aber fehlt Ihnen nicht manchmal das wirklich große Publikum eines Konzerts?

Lesung und Konzert sind ja beide Formen der zwischenmenschlichen Kommunikation. Und wenn 10.000 Konzertbesucher vor mir standen, dachte ich auch immer nur daran, mit einer Person zu kommunizieren. Ob da nun Tausende oder nur 30 Leute im Publikum sind, ich gehe mit der gleichen Freude auf die Bühne.

 

Sie werden kommendes Jahr 70, was gibt es für Pläne?

Das Beste ist zu lernen, wie man gut stirbt. Ansonsten die verbleibende Zeit so gut zu verbringen, wie möglich. Und ein neuer Roman wird fertig werden, nächstes Jahr.

 

Lluís Llach

Die Frauen von La Principal

suhrkamp/ Insel Verlag

368 Seiten

ISBN: 978-3-458-17672-5

 

Torsten Eßer ist Redakteur bei matices.

 

"Mich interessierte sehr die Rolle der Frau in der spanischen Gesellschaft. Aber nicht der armen, hilflosen Frau, sondern von einer, die genug finanzielle Mittel hat, Macht zu erlangen, in einer machistischen Gesellschaft."