Tequila-Jazz

Ein Gespräch über Wurzeln, Identität und das Vermischen von Musikstilen

Die Band Troker aus Mexiko legte auf der diesjährigen Musikmesse jazzahead einen fulminanten Auftritt
hin. Nachdem den Zuhörern die Gehörgänge freigepustet waren, fingen viele an zu tanzen (und einige
verließen den Saal). Im Interview mit Matices sprach die Band über ihren Hard-Groove-Jazz.

von Torsten Eßer

Bei eurem Auftritt gestern haben sicher einige Puristen gedacht: Was machen die denn auf einer Jazz-Messe?

Frankie Mares (Schlagzeug): Das Genre wird immer weiter geöffnet für alle möglichen Musikstile. Wir wollen nicht in einem festgelegten, starren Rahmen spielen. In unserem Fall integrieren wir Hip Hop, Funk und auch Rock in unser Spiel, Musik, die uns gefällt. Das sind unsere Einflüsse, schließlich haben wir vorher unter anderem auch in Rockbands gespielt.

 

Streckenweise erinnert mich eure Musik an Rock-Mestizobands wie Control Machete oder Molotov?

Arturo Santillanes (Saxophon): Mit dieser Musik sind wir aufgewachsen, einige der Musiker sind heute unsere Freunde. Diese Musik ist uns ins Blut übergegangen, genauso wie sehr mexikanische Elemente, zum Beispiel der Mariachi, den man einfach mit der Muttermilch aufsaugt. Und wenn Du dann spielst, fließt all das aus dir heraus.

Samo González (Bass): Aber wir mögen die Vielfalt, wir möchten keine simplen Pop- oder Rocksongs spielen, sondern uns öffnen für Improvisationen. Daher ist unsere Musik mehr Jazz als alles andere.

 

In Stücken wie „Chapella blues“ oder „Principe Charro“ habe ich Elemente der mexikanischen Folklore gehört.

Arturo: Das ist erstens Teil unserer Identität und zweitens gibt das unserer Musik eine gewisse Originalität. Wir sind auch stolz darauf, Musikstile zu integrieren, die schon unsere Väter und Großväter gerne gehört haben. Aber letztendlich entsteht das auf natürliche Weise. Irgendwann haben wir das bemerkt, als Leute uns darauf ansprachen, dass „Chapella blues“ sehr mexikanisch klingt. Bei „Principe Charro“ haben wir das dann bewusst eingebaut, um traditionelle Elemente mit dem Hip Hop und unserem DJ zu verbinden.

 

Ist es schwierig, traditionelle Musik mit Jazz, Funk und Rock zu vermischen?

Frankie: Meistens kommen diese Elemente auf natürlichem Weg in unsere Musik. Bei einer Probe hören wir dann zum Beispiel so ein typisches Vibrato bei den Bläsern. Wir trinken sehr gerne Tequila, entspannen uns, und dann kommen unsere Wurzeln ganz von selbst ins Spiel (lacht!).

Samo: Wir haben einmal in der Provinz Oaxaca ein Projekt mit einem indigenen Symphonieorchester gemacht. Mit den Jugendlichen übten wir „Chapella blues“ ein und führten es im Palacio de Bellas Artes in D.F. auf, das war eine tolle Erfahrung. Danach haben wir hier und da auch einige indigene Instrumente benutzt.

 

Das Stichwort indígenas bringt mich zu der Frage, wie ihr zur problematischen Situation eben jener Bevölkerungsgruppe steht?

Samo: Wir haben ein interaktives Programm für Kinder entwickelt, nicht nur indigene, in dem wir ihnen etwas über Musik vermitteln. Außerdem verschenken wir Konzerte, das heißt wir spielen gratis in Jugendgefängnissen, Krankenhäusern, Schulen oder marginalisierten Vierteln. Wir mischen uns auch in die aktuelle Politik ein, indem wir zum Beispiel in Interviews gegen die Regierung argumentieren. Wir wollen den Jugendlichen vermitteln, dass wir mit der Korruption der Regierung nicht einverstanden sind und mit der steigenden Kriminalität, die dafür sorgt, dass man sich kaum noch auf die Straße traut. Dabei hilft uns natürlich eine steigende Popularität.

Arturo: Dabei dürfen wir allerdings nicht vergessen, dass unsere Hauptaufgabe die Musik bleibt, damit die Leute auch mal für einen Moment diese Probleme vergessen können.

 

Ja, das verstehe ich. Was mir als Europäer aber schwer fällt zu verstehen, ist, dass der Auftritt im „falschen“ Lokal für einen Musiker tödlich enden kann, auch wenn das vor allem die Sänger von narcocorridos betrifft…

Frankie: Das hat auch damit zu tun, dass sie zum Beispiel dazu gezwungen werden, Botschaften zu „singen“, von einem Drogenkartell an ein anderes. Dann kommen die zum Konzert und veranstalten hässliche Sachen… Das alles ließe sich durch eine Legalisierung der Drogen abstellen.

 

Spielt die cumbia für eure Musik eine Rolle?

Arturo: Das ist ein Rhythmus, der uns auch gefällt und der auf keiner mexikanischen fiesta fehlen darf. Wir haben in einem Stück, „El novio“, die cumbia genutzt, als Frankie geheiratet hat, denn auf einer Hochzeit darf die cumbia nicht fehlen. Wir drei haben noch ein Trio, mit dem wir auf Partys, in Clubs und auch auf Hochzeiten spielen.

 

Euer DJ macht bei euch viel mehr als sonst DJs in Bands…

Frankie: Er benutzt seine Turntables wie ein Instrument und gibt vielen unserer Stücke einen speziellen Klang. Er hat schon mehrere Preise gewonnen, unter anderem als bester DJ Mexikos. Als unsere Gruppe anfing, gingen wir in eine Bar, in der er auflegte. Sofort dachten wir darüber nach, ob es nicht cool wäre, einen DJ unserer Band hinzuzufügen. Und schon bei der ersten Probe mit ihm waren wir begeistert. Er hat auch tolle Ideen für Samples aus alten mexikanischen Filmen etc., diese Fusion geht weit über das Scratchen anderer DJs hinaus.

Samo: Wir integrieren ihn auf verschiedene Weise: er spielt Harmonien, manchmal sogar eine Melodie, wie in „Mosquita muerta“. Schon während des Komponierens denken wir oft darüber nach, was wir mit den Plattenspielern anstellen können, etwas Neues, Aufregendes.

 

Und nun zu einer brennenden Frage: Woher kommt der Name Troker, das klingt ziemlich deutsch?

Frankie (lacht!): Als wir anfingen, suchten wir einen Namen, der die Kraft unserer Musik ausdrückte. Wir überlegten viel, aber fanden nichts. Zu der Zeit trugen wir dicke Schnauzbärte und oft Baseballkappen, und so sehen in Mexiko oft die Fahrer großer Lastwagen aus, Trucker halt. Und daraus haben wir dann dieses Kunstwort gemacht. Es weckt Assoziationen zu Kraft, Lärm, starken Motoren und zu Truckern, die Jazz hören. So ist das entstanden.

 

Aktuelles Album:

Crimen sonoro (2014)

http://troker.com.mx/

(inkl. Video des Auftritts auf der jazzahead)

 

Torsten Eßer ist Musikredakteur bei Matices und WDR5.