Mit Schleusen, Sensoren und Schulungen gegen den Klimawandel

Frühwarnsysteme und Schutzmaßnahmen in Honduras und El Salvador

In Mittelamerika führt der Klimawandel zu extremen Wetterereignissen. Die Niederschläge fallen nicht mehr auf mehrere Monate verteilt in der Regenzeit, sondern geballt in heftigen Unwettern. Erdrutsche, Sturzhochwasser und Überschwemmungen sind die Folgen. Matices hat zusammen mit dem deutschen Arbeiter-Samariter-Bund El Salvador und Honduras besucht, um mehr über die Auswirkungen des Klimawandels auf die Regionen und ihre Bewohner zu erfahren. 

von Katharina Mauz

©Hannibal/ASB
©Hannibal/ASB

Für die Dorfbewohner von Guadalupe stellt die Lagune ihren Arbeitsplatz und die Bank des Dorfes dar 

Maria Maribel ist in Playitas aufgewachsen und auch ihre fünf Kinder sind dort zur Welt gekommen. Playitas ist eine Gemeinde an der honduranischen Pazifikküste, am Golf von Fonseca. Als der Hurrikan Mitch 1998 über Mittelamerika hinwegfegte und die Wassermassen Playitas erreichten, rettete sich Maria Maribel mit ihrer Familie und ihren Nachbarn auf die Dächer der Häuser und Latrinen.

 

Zwei Tage harrten sie dort aus und mussten mitansehen, wie die Strömung ihr Hab und Gut, verendetes Vieh und Leichen vorbeitrieb. Diese Bilder wird Maria Maribel niemals vergessen, aber in den letzten Jahren ist die Angst vor solchen Katastrophen zunehmend größer geworden. Besonders in den letzten fünf Jahren hätten die Bewohner Playitas die Folgen des Klimawandels stark zu spüren bekommen, erzählt sie.

 

Die Niederschläge während der Regenzeit seien geringer geworden, aber dann fielen innerhalb weniger Tage oder Wochen Mengen, die es einst über mehrere Monate verteilt herabgeregnet hat. Mittlerweile geht Maria Maribel jeden Abend mit der Angst ins Bett, dass das Wasser in ihrem Haus im Laufe der Nacht bis zur Bettkante steigt. Regen- und Trockenzyklen haben sich verschoben, sind unvorhersehbar und somit unberechenbar geworden. Deshalb hat der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) in Playitas und in den Regionen Bajo Lempa und Bahía de Jiquilisco im nahegelegenen El Salvador Hochwasserfrühwarnsysteme errichtet: Sensoren im Flussbett sammeln Daten zur Fließgeschwindigkeit und Flusshöhe und können so das Ausmaß möglicher Überschwemmungen vorhersagen.

 

Die Bewohner können rechtzeitig gewarnt werden und sich in Sicherheit bringen. Daysi González, Projektkoordinatorin des ASB, erklärt, wie diese Warnsysteme in enger Zusammenarbeit mit dem nationalen Katastrophenschutz und den betroffenen Gemeinden vor Ort erarbeitet wurden. Eine wichtige Komponente des Nothilfe-Projekts ist das Training der Mitglieder der lokalen Zivilschutzkomitees. Die Geschulten wissen dann in Notfallsituationen, welche Häuser und Gebiete zuerst evakuiert werden müssen, in welchen Häusern ältere und körperlich eingeschränkte Personen oder Kranke leben, die Hilfe bei der Evakuierung benötigen. Sie informieren die anderen Dorfbewohner und kennen die Evakuierungsrouten ganz genau. 

Gefangen inmitten von Wasser

Guadalupe la Zorra ist kein alteingesessenes Dorf in El Salvador. Die Familien, die dort leben, haben sich in den Jahren nach dem Bürgerkrieg an der Süßwasserlagune El Aguaje angesiedelt. Die Binnenvertriebenen hofften, dort ein ruhigeres und vor allem sichereres Leben führen zu können. Auch wenn die Schrecken des Bürgerkriegs langsam verblassen und die organisierte Kriminalität die Gemeinde scheinbar verschont, sind die Bewohner dennoch nicht sicher. „Hier kann innerhalb kürzester Zeit sehr viel Regen fallen und die Flüsse, die das Regenwasser aus dem Landesinneren mit sich führen, steigen dann schnell über die Ufer. Noch dazu treiben die Winde das Meerwasser landeinwärts.

 

Das Wasser kommt dann von beiden Seiten und wir sind in der Mitte gefangen. Wir können nirgendwo hin, weil wir keine Kanus oder kleine Boote haben. Wir retten uns auf die Dächer und müssen warten, bis jemand kommt, der uns hilft“, beschreiben Marcela und Gloria die Überschwemmungen. In El Salvador sind nach Angaben des Umweltministeriums mehr als 10 Prozent des Landes überschwemmungsgefährdet. Dazu gehören vor allem die tief liegenden Regionen an der Küste, die von Flüssen und Lagunen durchzogen sind – so wie Guadalupe la Zorra in der Region Bajo Lempa. 

©Hannibal/ASB
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Innerhalb kürzester Zeit kann das Wasser in Playitas mehrere Meter hoch ansteigen. Evakuierung muss dann sehr schnell gehen 

Hilfe zur Selbsthilfe bei Überschwemmungen

Fast alle in Guadalupe la Zorra leben von Fischfang und Krabbenzucht. Der Klimawandel bedroht auch dieses fragile Ökosystem. Wenn sich Trocken- und Regenzeiten verändern, verschieben sich auch die Laichzeiten der Fische. Die Fischer sind verunsichert, denn fangen sie die Fische zu früh, gibt es in der nächsten Saison weniger. Um Fische und Krabben in den näher gelegenen Städten oder gar in die Hauptstadt San Salvador verkaufen zu können, fehlen ihnen die Transportmöglichkeiten. Alle paar Tage kommt der Lastwagen einer Firma vorbei, die alle Fische und Krabben aufkauft, um sie anderswo mit Gewinn weiterzuverkaufen. Den Preis bestimmt die Firma und die Bewohner Guadalupe la Zorra‘s akzeptieren ihn gezwungenermaßen, da es sonst keine Abnehmer oder Vermarktungsmöglichkeiten dafür gibt.

 

Unterstützung von den salvadorianischen Behörden erfährt Guadalupe la Zorra kaum, und der Gemeinde selbst fehlt es an finanziellen und technischen Mitteln, sich an den Klimawandel anzupassen. Seit drei Jahren ist deshalb der Arbeiter-Samariter-Bund auch hier präsent und arbeitet vor Ort mit lokalen Partnerorganisationen und dem nationalen Katastrophenschutz zusammen. Mehrere Schutzmaßnahmen bei Überschwemmungen wurden in Guadalupe la Zorra errichtet, darunter eine Schleuse. Außerdem wurden die Bewohner des Dorfes darin geschult, die Anzeichen von Unwettern richtig zu deuten, um Schutzmaßnahmen rechtzeitig selbst treffen zu können: Welche Häuser und Gebäude sind am ehesten betroffen und müssen deshalb als erstes evakuiert werden? Wie verlaufen die Evakuierungs- und Fluchtwege?

 

Welche höhergelegenen Gebiete eignen sich als Auffanglager, bis das Hochwasser wieder sinkt? Dank dieser Anleitung können sie sich im Notfall schnell und am besten selbst helfen. Selbsthilfe ist nicht nur in Notsituationen wichtig, sondern auch im Alltag. In der Süßwasserlagune El Aguaje am Rand des Dorfes werden immer wieder Abfälle aus den Gemeinden und Städten des Landesinneren angespült.

 

Außerdem wuchern Schlingpflanzen am Ufer und verstopfen die Schleusen. Deshalb reinigen die Dorfbewohner in regelmäßigen Abständen die Lagune. Juan zeigt auf seinem Smartphone das Video einer Aufräumaktion: Männer und Frauen waten durchs Wasser und sammeln die Abfälle und Schlingpflanzen in großen Körben auf dem Rücken. Die betroffenen Menschen halten ihr Dorf selbst in Schuss. Auf Unterstützung vonseiten, des Staats zu hoffen, hat sich als aussichtslos erwiesen. Der Bürgermeister von Guadalupe la Zorra hatte einst die Wahl für sich entschieden, indem er seine Wähler mit teuren Geschenken für sich eingenommen hat: schicke Smartphones oder große Fernseher.

 

Seitdem hat sich im Dorf nicht mehr viel getan. Staatliche Gelder für Hochwasser-Messstände, Schutzmaßnahmen oder Frühwarnsysteme kommen nicht in den betroffenen Gemeinden an, sondern verschwinden auf privaten Konten korrupter Politiker oder Unternehmer. Humanitäre Organisationen wie der ASB unterstützen die betroffenen Menschen in Mittelamerika im Wettlauf mit den Herausforderungen des Klimawandels. 

©Hannibal/ASB
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Maria Maribel schaut besorgt in die Zukunft. Das Wasser kann jederzeit kommen 

Migration verändert die Gemeindestrukturen

Im honduranischen Playitas sind fast alle Mitglieder des Gemeindekomitees Frauen. Auch im Dorf trifft man nur vereinzelt Männer. Fragt man nach, sind die Antworten oft vage und ausweichend. „Mein Mann ist auf dem Feld“, „Er arbeitet in einer anderen Stadt“, antworten die Frauen.

 

Ja, viele der Männer arbeiten auf dem Feld oder in der Stadt, aber nicht in Honduras, sondern in den USA. In Playitas lässt sich eindrucksvoll nachvollziehen, wie die Migration in den Norden die Gemeindestrukturen und Dynamiken nachhaltig verändert. Dank der Rücküberweisungen der Männer aus den USA können die Familien hier Häuser aus Beton und mit Wellblechdach bauen. Nur noch sehr vereinzelt, leben Familien in verputzten Lehmhäusern, obwohl in denen die zunehmende Hitze eigentlich viel besser auszuhalten wäre.

 

Auch in Mittelamerika sind Häuser oftmals Prestigeobjekte: je massiver, desto besser. Während an der Karibikküste Honduras’ viele Häuser auf Stelzen stehen, wo ihnen Fluten und Überschwemmungen nicht so viel anhaben können, stehen die Betonhäuser in der niedrig gelegenen Küstenregion am Pazifik schnell unter Wasser. Die Anpassung an den Klimawandel umfasst viele Lebensbereiche, auch ein Umdenken beim Hausbau. Die Reise durch Honduras und El Salvador zeigt, dass es oft an finanziellen und technischen Mitteln zur Anpassung an den Klimawandel fehlt. Umdenken und Verhaltensänderungen in anderen Lebensbereichen sind genauso wichtig – nicht nur in Mittelamerika. 

©Hannibal/ASB
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Auf der einen Seite das Süßwasser der Lagune, auf der anderen das Meerwasser des Pazifik. In der Gemeinde Guadalupe drückt bei Hochwasser das Meerwasser landeinwärts. Das zu verhindern hilft eine Schleuse 

Katharina Mauz ist Redakteurin bei matices. Die Reportage ist auf der Grundlage einer Pressereise mit dem Arbeiter-Samariter-Bund entstanden. Dieser arbeitet mit lokalen Partnern vor Ort und nimmt Spenden für die Nothilfe entgegen.