Mexiko wird unterschätzt, soviel scheint sicher. Auch wenn sich in den letzten Jahren seine Anziehungskraft noch verstärkt hat, bleibt es oftmals auf den Status eines traumhaften Reiselandes Cancún und Acapulco sind mittlerweile Teil eines jeden Reisekatalogs - reduziert, und uns allen bekannte Bilder - Mariachi, Sombrero und Tequila, mexikanisches Allerheiligenfest und die Illustrationen von Posada, Diego Rivera und Frida Kahlo, die quirlige Hauptstadt und friedliche Dorfidyllen -lassen die Vielfarbigkeit der mexikanischen Wirklichkeit doch nur blass erahnen. Politische Umwälzungen in den letzten Jahren sind von der europäischen Warte aus noch zu beurteilen, der letztjährige Regierungswechsel, das Chiapas-Problem, die illegale Auswanderung nach den USA, die wirtschaftlichen Entwicklungen finden Nachhall in den großen Tageszeitungen und sollen aus diesem Grunde im vorliegenden Special über Mexiko im wesentlichen ausgeklammert werden. Auch hat man Kenntnis von den wesentlichsten kulturellen und sozialen Tendenzen, etwa den Muralisten, der modernen Architektur eines Luis Barragán, der Literatur von Paz und Rulfo, doch bleibt dieser Bereich noch viel zu oft durch Topoi geprägt.
Mit diesem Mexiko-Special versuchen wir, einige Lücken im Bilderreigen zu schließen, indem wir ein spannungsvolles, buntes Mosaik legen. Dabei tritt die historische Entwicklung des Landes vor den aktuellen gesellschaftlichen Gegebenheiten zurück. Die verschiedenartigen Brüche, die die Jahrhunderte durchziehen und die in ihrer Diversität doch das verbindende Charakteristikkum Mexikos bilden, lassen sich auch in der Gegenwart feststellen. Die Neuerungen, die heute nicht nur die Politik, sondern auch Religion, Philosophie, Kunst, Architektur und Literatur kennzeichnen, sind somit beste mexikanische Tradition, und verdienen eine ausführlichere Betrachtung. In sechs Artikeln und einem Rezensionsteil haben sich die Autoren dieser Aufgabe gestellt und, teils exemplarisch, teils synoptisch, relevante Veränderungen veranschaulicht.
Wenn man bereit ist, sich auf Mexiko einlassen, wird man sich seiner Magie und Anziehungskraft kaum wieder entziehen können. Als Pablo Neruda nach Jahren als Generalkonsul in Mexiko nach Chile zurückkehrte, musste er feststellen, dass er das mexikanische Leben noch weniger verstand als bei seiner Ankunft, aber ,,Mexiko lebt in meinem Leben wie ein kleiner verwirrter, in meinen Adern kreisender Adler". Wenn Neruda es schon vor Ort nicht vermochte, das 'Mexikanische' zu begreifen, wird es uns auf den 25 Seiten des Specials auch nicht gelingen. Doch die Hoffnung bleibt, dass Ihr Adler zumindest neugierig den Kopf heben wird.
die Redaktion
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