Im November 1997 bekam ein Schwarzwälder Unternehmen, dessen Handwerk die Herstellung von Turmuhren ist, eine Anfrage aus Brasilien: Ob es möglich wäre, bis spätestens zum 1. Januar 1998 für ein Zifferblatt mit 30 Meter Durchmesser einen Stunden-, einen Minuten- und einen Sekundenzeiger zu liefern, wolle man wissen. 30 Meter, das wäre dann doch nicht möglich, aber sechs Meter, das ließe sich machen, war die Antwort. Das Problem, wie bei solch gewaltigen Dimensionen der Sekundenzeiger zum Laufen zu bringen sei, wurde von den findigen Konstrukteuren alsbald gelöst. Ein spezielles Motortriebwerk soll das 100 kg schwere und 3,50 Meter lange Aluminiumteil dazu anhalten, das Zifferblatt zeitgemäß zu umkreisen. In Brasilien wurden die Zeiger schließlich auf ein mit einem Globus verzierten Zifferblatt montiert. Darüber zeigt eine Count-Down-Anzeige, wie viele Tage es noch bis zur großen 500-Jahr-Feier sind. Am 22. April 2000 jährt sich nun zum fünfhundertsten Mal die Entdeckung Brasiliens durch die Europäer letzteres nur zur Erinnerung.
Dieses Ereignis nahm Matices zum Anlass, sich mit ausgewählten Aspekten einer ausgefallenen Nation zu beschäftigen. Nicht karnevaleske, Caipirinha-schwangere Jubelfeiern und Proklamationen, wie die einleitende Anekdote vermuten ließe, stehen hierbei im Vordergrund. Auch stigmatisierende Informationen über beispielsweise die Problematik Straßenkinder, Umweltkatastrophen oder Kriminalität mögen Interessierte besser in Massen Publikationen suchen. Unsere Absicht war es nicht, diese Phänomene zu ignorieren, jedoch sind sie unserer Meinung nach wenig dazu geeignet, ein wirklichkeitsnahes Bild dieser heterogenen Gesellschaft zu zeichnen. Die Idee, eine um fassende Wirklichkeit abbilden zu wollen, haben wir schnell verworfen, weil letztlich nur die Regie selbiger möglich gewesen wäre. Realistisch dagegen schien uns, Beiträge zu denjenigen Themen aufzunehmen, die dem Anlass gemäß Vergangenheit und Zukunft, Gemeinsamkeit und Kontrast zusammenführen. Der Mühsal um die Landreform, der fortschreitende Demokratisierungsprozess und das Verhältnis zu den Portugiesen beschreiben diese Begegnung eindrucksvoll. Zudem geben identitätsstiftende Facetten der Film- und Literaturgeschichte Brasiliens Anregungen zur Auseinandersetzung mit dem Land, in dem - wie es die Legende will - Gott geboren wurde.
die Redaktion
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Carlos Collado Seidel
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Länderberichte: Argentinien, Chile, Ecuador, Guatemala, Kuba, Mexiko, Panama, Peru, Portugal, Spanien, Uruguay, Venezuela, Macau
SCHWERPUNKT: 500 JAHRE BRASILIEN
Wem gehört ein Land? Der steinige Weg zu einer Agrarreform
Philipp Hartmann
Das Ende der Kindheit Demokratie: ein Riese wird erwachsen
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Portugiesen und Brasilianer eine schwierige Beziehung
Dietrich Briesemeister
Illumination einer wunderbaren Wirklichkeit - zur Geschichte des Films
Anne Haller
Die Entdeckung des Nicht-Europäischen - Entdeckung in der Literatur
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Kolumbus, der Schurke. Darius Milhauds Oper Christophe Colombe
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Alexander Streitberger
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kurz notiert: kunst, literatur, film El Internauta
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