Hotel Bossa Nova

Durch Teamwork zum Erfolg

von Frank Keil


Nach 16 gemeinsamen Jahren als Band steht die hessische Weltmusik-Formation Hotel Bossa Nova vor ihrem ersten Besetzungswechsel. Doch vorher präsentieren sie mit „Cruzamento“ erst einmal das achte Album. Stellvertretend für das Quartett standen Sängerin Liza da Costa und Gitarrist Tilmann Höhn für ein ausführliches Interview zur Verfügung.

Die Band im Jahr 2019 (Reinhard Berg)
Die Band im Jahr 2019 (Reinhard Berg)

Liza, Du bist als Tochter einer Portugiesin und eines Inders in Rüsselsheim aufgewachsen. Welche Rolle spielte Musik in Deiner Kindheit und Jugend? Wann hast Du Dich entschieden, als Komponistin und Sängerin professionell zu arbeiten und auf welche Art von Ausbildung oder Studium hast Du Dich dabei gestützt?

Die Musik spielte in meiner Kindheit eine große Rolle, aber meine Eltern hatten nicht die Mittel Klavier- oder Gesangsunterricht für mich zu bezahlen. Also musste ich alleine zurechtkommen. Als ich dann in den Jugend-Kirchenchor der Gemeinde Dreifaltigkeit in Rüsselsheim eintrat, war ich sehr glücklich mit Gleichgesinnten zu singen und zu lernen. Später habe ich mich dem amerikanischen Kirchenchor der Baptist Church Hainerberg, Wiesbaden angeschlossen. Mit 16 Jahren habe ich zum ersten Mal in einer Band gesungen. Ich hatte nicht vor, Musikerin zu werden, aber von da an habe ich immer Musik gemacht. Die Ausbildung habe ich von meinen Kollegen und vielen Lehrern erhalten. Zufällig habe ich ein gutes Gespür für Komposition und so konnte ich viele Songs komponieren und einige Leute fragten mich auch nach Kompositionen. Ich mag es, einem neuen Song mit meiner Stimme Ausdruck und Leben einzuhauchen. Ein sehr spannender Prozess.

 

Du hast zunächst mit der Formation Captain Jack (Eurodance) Ende der 1990er Jahre Bekanntheit erlangt, später im Alleingang. Was hat Dich zum musikalischen Richtungswechsel veranlasst, der 2005 zur Gründung von Hotel Bossa Nova in Wiesbaden führte?

Ich war drei Jahre mit der Formation in vielen Ländern auf Tour und es gab sehr viele Auszeichnungen für uns. Vorher hatte ich ein Jazz-Vocalese-Trio mit zwei weiteren Sängerinnen. Die hatten während meiner Auszeit eine neue Sängerin verpflichtet. So war ich auf der Suche nach Mitstreitern und fand sie endlich in Hotel Bossa Nova.

 

Mit Tilmann Höhn (Gitarre), Alexander Sonntag (Bass) und Wolfgang Stamm (Schlagzeug) verbinden Dich heute 16 Jahre und acht Alben. Auf welche Meilensteine dieser Karriere blickst Du gerne zurück?

Natürlich sind alle unsere Alben Meilensteine für mich. Die Musik zusammen zu komponieren und zu einem Album zusammenzufassen ist ein harter kreativer Prozess. Wir beginnen mindestens 1 1/2 Jahre im Voraus an einem Album zu arbeiten. Mittlerweile ist es das achte Album. Dies ist der eine Part, der andere ist, dass wir auch sehr gerne gemeinsam auf Tour sind. 

 

Weltmusik, World Jazz, oder wie würdest Du die Musik von Hotel Bossa Nova stilistisch einordnen und beschreiben, da den Einflüssen aus Brasilien nach wie vor eine große Rolle zukommt, oder?

Tilmann Höhn: Eigentlich bedeuten diese ganzen Begriffe für uns überhaupt nichts. Bossa Nova hat den Weg in die Welt vor allem auch gefunden, weil er so erfolgreich in den USA war. Insofern hat der Bossa Nova noch nicht einmal brasilianische Einflüsse. Musik ist ohnehin keine nationale Institution. Indigene Einwohner Brasiliens haben sicher überhaupt kein Verhältnis zu Bossa Nova. Wir kämen uns auch sonderbar vor, würde man bayerische Volksmusik als Deutsch identifizieren. Wenn, dann ist Bossa Nova in einer bestimmten Zeit von einer bestimmten Gruppe um Tom Jobim in Rio entstanden, um dann über Amerika in der Welt verbreitet zu werden. Es sind Musiker, Personen, Rhythmen, Melodien und Harmonien, die eine Rolle spielen, der nationale oder geographische Ursprung ist uns im Grunde völlig gleichgültig.

 

Liza da Costa: Wir spielen Bossa Nova, aber der ist schon viel jazziger als der klassische brasilianische Bossa Nova. Ich nenne unsere Musik gerne European Bossa Nova.

 

Das aktuelle Album „Cruzamento“ ist Schlagzeuger Wolfgang Stamm gewidmet, der die Band krankheitsbedingt verlassen muss. Ein Ausstieg auf Zeit oder für immer, zumal mit Jens Biehl bereits sein Nachfolger im Studio mitwirkte. Hat Wolfgang die Empfehlung für Jens gegeben?

Tilmann Höhn: Jens und Wolfgang kennen sich schon viele Jahre und schätzen sich gegenseitig sehr.

 

Gibt es eine Idee oder eine Art Motto für das Album mit seinen insgesamt 14 Titeln? Habt Ihr als Band das ein oder andere Lieblingsstück darauf und wenn ja, warum?

Tilmann Höhn: Wahrscheinlich hat jeder von uns ein anderes Lieblingsstück. Und es gab auch kein Motto oder eine thematische Idee. Uns ging es diesmal vielmehr um eine Arbeitsweise und eine Herangehensweise, unsere Musik zu entwickeln, die bei diesem Album einfach anders war als bei den vorherigen Alben.

 

Liza da Costa: Dieses Mal haben wir live im Studio an den Songs gearbeitet und gleich aufgenommen. So entstanden am Tag im Durchschnitt zwei Stücke. Keine Proben und keine Vorbereitungszeit. Es war eine sehr inspirierende Zusammenarbeit. 

 

Finden sich politische oder zumindest gesellschaftskritische Texte auf dem Album oder seht Ihr Hotel Bossa Nova in erster Linie als Unterhaltungsband? 

Tilmann Höhn: Die Frage suggeriert, dass sich beides ausschließen würde, was wir für relativ abwegig halten. Wenn Künstler etwas zu sagen haben und es aufrichtig verarbeiten, ist dies immer eine undurchsichtige Melange aus Unterhaltung, politischem Statement, persönlichem Ausdruck und noch vielem mehr. Sich nicht zu gesellschaftlichen Dingen zu äußern, ist auch ein gesellschaftliches Statement, insofern ist alle Kunst immer auch politisch. Aber eigentlich sind das keine primären Anliegen unserer Arbeit.

 

Liza da Costa: Es gibt einige Songs, wie „Este Mundo (Our World)“ oder „Alegria Na Minha Horta (Happiness In My Garden)“, wo es um die Erhaltung der Natur geht und um das lebensspendende Wasser. Bei „Agora Sei (The Truth)“ und „Cordoba Night“ geht es um Verrat und Lieblosigkeit. Bei „Fazer O Que Eu Quero (Doing What I Like)“ und „Error Humanos (Human Errors)“ geht es um das Erwachsenwerden, Veränderung und um Aufbruch. Die Message der Songs kann man durchaus in der Musik hören - auch ohne den Text. 

 

„Cruzamento“ erscheint auf dem renommierten Münchner Label Enja Records. Wie ist deren Erwartungshaltung und die der Band? Verspürt Ihr größeren Verkaufsdruck nach der Covid-19-Pause, um viele ausgefallene Shows zu kompensieren?

 

Liza da Costa: Für uns waren Verkaufszahlen noch nie wichtig. Wir machen das, was uns Spaß macht und richten uns nicht danach, was gut zu promoten wäre. Wir sind sehr glücklich darüber, unser neues Album zu präsentieren und wieder auf Tour zu sein. Wir sind sehr stolz auf ‚Cruzamento‘.

Sängerin Liza da Costa (Simon Hegenberg)
Sängerin Liza da Costa (Simon Hegenberg)

Bandname und stilistische Einflüsse verweisen auf Brasilien. Hat sich für Euch in 16 Jahren Bandgeschichte jemals die Möglichkeit ergeben, dort aufzutreten?

Tilmann Höhn: Wie gesagt empfinden wir diese Musik heute, 2021, nicht als originär Brasilianisch. Der Namensbestandteil „Hotel“ soll ja eben auch einen Bezug dazu haben, dass sich viele Einflüsse unter einem Dach versammeln können. Wir würden uns ohnehin nicht besonders gerne in das Land von Jair Bolsonaro begeben.

Liza, wie verbringst Du Deine Freizeit, wobei entspannst Du abseits von Hotel Bossa Nova?

Liza da Costa: Zum Glück liebe ich meine Arbeit und muss mich nicht davon erholen. Aber ich mache das, was alle gerne machen: Sport, Lesen, Portugal erkunden, Deutschland erkunden. Natürlich dürfen die Familie und meine Freunde nicht fehlen.


Weitere Informationen: http://hotelbossanova.com

 

Frank Keil ist freier Journalist (Musik, Kultur, Reise). Er arbeitet zudem im Bereich Künstlerbooking und Tourneemanagement.