Grundwasser

Stragien um Ressourcen

von Kim Weidenberg

Auf dem Weltwasserforum wurden unter weitgehendem Ausschluss der öffentlichen Beteiligung neue Wege von Investitionsformen bei der Erschließung von Grundwasserquellen diskutiert. Rechtliche Lücken und institutionelle Schwachstellen bieten Raum für die Schaffung neuer Strategien, die private Investitionen und die Beteiligung internationaler Firmen bei der Erschließung der Quellen begünstigen. Transnationale Wasserprojekte werden zusätzlich als Plattform für die Festigung politischen Einflusses in Krisengebieten genutzt. Am Fallbeispiel des transnationalen Grundwasservorkommens Guaraní in den Mercosur Staaten werden Nutzungskonflikte und der Einfluss der Weltbank auf eine der größten Wasserressourcen der Welt besonders deutlich.

 

Der Zugang zu Grundwasser war eines der Themen, die auf dem Wasserforum in Mexiko im Mittelpunkt der Debatte standen. Grundwasser ist ein noch unerforschtes Gebiet innerhalb der Wasserproblematik. Doch soviel steht fest – die Ressourcen sind enorm. Das Wasser ist zum großen Teil mit Mineralien angereichertes sauberes Trinkwasser, das keinerlei Aufbereitung bedarf. Eine Reihe von internationalen Institutionen luden zu Veranstaltungen zum Thema Grundwasser ein, darunter UNEP (United Nations Environmental Programme), OAS (Organisation Amerikanischer Staaten), GEF (Global Environmental Facility) und die Weltbank. Die Themenfelder innerhalb der Grundwasserproblematik sind vielfältig, eine Übereinstimmung weisen sie jedoch auf: die Betonung der Notwendigkeit einer nachhaltigen Bewirtschaftung und des Schutzes der Grundwasservorkommen. Doch woher kommt das verstärkte Interesse der internationalen Debatte an den Grundwasservorkommen?

 

Grundwasser als strategische Reserve

 

Das steigende Interesse am Grundwasser ist vor dem Hintergrund des zunehmenden Wasserbedarfes für die Industrie und die Landwirtschaft, den sinkenden Investitionsmöglichkeiten in dem Servicesektor und in Staudamm- projekten zu sehen. Bisher schien es, als ob die Erschließung der zum Teil sehr tiefliegenden Quellen zu kostspielig sei, um sie als Trinkwasserquellen wirklich in Erwägung zu ziehen. Die Standardlösung der Trinkwasserkrise vor drei Jahren in Kyoto war die Privatisierung der Wasserversorgung. Es scheint, als ob die lohnenswerten Städte sich zum großen Teil schon in privater Hand befinden oder sich aufgrund von Prostesten der Bevölkerung als nicht rentabel erwiesen. Auf lange Sicht scheinen sich auch die möglichen Standorte für Staudämme zu erschöpfen, zumindest nach Ansicht des Weltbankdirektors John Briscoe.

 

Auf dem Weltwasserforum war eine Erweiterung des Diskurses in der Trinkwasserdebatte spürbar. Die Betonung lag nun auf dem Zugang zu Wasser als Basis für ein „verantwortliches Wachstum“ (responsible growth). Ein „verantwortliches Wachstum“ der Wirtschaft bedeutet nach Meinung der Firmen und internationalen Finanzinstitute irgendwann Trinkwasser für alle. Die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser tritt hinter der Debatte des Wasserbedarfs für die Landwirtschaft und Wasserenergie zurück. Eine Mehrzahl der Podiumsdiskussionen drehte sich daher um die Erschließung ländlicher Gebiete und die Erschließung von Grundwasser.

 

Kein Zugang durch Wasservergiftung

 

Beim weltweiten Wasserverbrauch liegt der Hauptanteil mit 70 Prozent der Gesamtwasserentnahme bei der Landwirtschaft und der Anteil der bewässerten Fläche nimmt weiter zu. Laut dem Weltwasserentwicklungsbericht der Vereinten Nationen werden bis 2030 60 Prozent aller für Bewässerung geeigneten Flächen genutzt werden. Daraus ergibt sich ein erhebliches Konfliktpotential, vor allem in Ländern mit begrenzten eigenen Wasserressourcen. Laut der FAO (Food and Agriculture Organization of the United Nations) verwenden viele Länder bereits 40 Prozent ihres erneuerbaren Süßwassers für Bewässerungszwecke, was als Schwellenwert im Nutzungskonflikt angesehen wird. Der Entwicklungsbericht bestätigt, dass oberflächennahes Grundwasser eine wichtige Quelle für Bewässerungswasser ist. Daraus ergeben sich in vielen Ländern bereits gravierende Probleme durch die Verschmutzung von Grundwasser durch Agrochemikalien und die Übernutzung von fossilem Grundwasser auf. Düngemittel und Pestizide verursachen zudem ernsthafte Probleme durch die Zunahme von Nährstoffen im Oberflächenwasser (Eutrophierung).

 

Wie der Weltwasserbericht der UNICEF und Weltgesundheitsorganisation (WHO) von 2004 schon bestätigte, beziehen mehr als eine Milliarde Menschen ihr Trinkwasser aus verunreinigten Quellen, Brunnen, Teichen oder Flüssen. In Afrika leben über 400 Millionen Menschen - 50 Prozent der Gesamtpopulation - ohne Zugang zu sicherem Wasser. Die arme Bevölkerung in Slums und ländlichen Regionen der Entwicklungsländer profitiert nicht von dem weltweiten Fortschritt bei der Verbesserung der hygienischen Verhältnisse. Im Gegenteil: saubere Wasserressourcen werden zunehmend durch die Auswirkungen von Wirtschaftsaktivitäten zerstört. Ein Großteil der Industrie und der Agrarflächen in den südlichen Ländern dient exportorientierten Interessen und wird von ausländischen Kapitalgebern betrieben.

 

Innerhalb der breiten Debatte der diversen möglichen technischen und politischen Lösungen der Wasserkrise galt auch im Weltwasserforum im Mexiko kein Gedanke der Hauptursache: der zunehmenden Verschmutzung und Vergiftung der vorhandenen Wasserressourcen. Viele der Berichte von Gemeinden und der lokalen Bevölkerung handeln von Umweltproblemen, wie nicht trinkbares Wasser durch Industrieabfälle, fehlende Sanitäranlagen und sich absenkendes Grundwasser. Gerade in Fällen wie Bergbau und Bauxitproduktion werden Unmengen von Wasser verseucht. Dadurch werden nicht nur die Lebensgrundlagen vieler Gemeinden gefährdet, sondern es wird auch ihr Menschenrecht auf Wasser, auf Nahrung und auf Gesundheit verletzt.

 

Institutionelle Lücken werden genutzt

 

Um den steigenden Bedarf an Wasser dieses angestrebten Wachstums zu decken, werden neue Wasserquellen benötigt. „Die Wasserkrise kann nur mit der Erschließung der Grundwasserressourcen gelöste werden“, so lautet ein Zitat eines Referatsleiters der Weltbank. Die rechtlichen Grundlagen der Grundwasservorkommen und vor allen Dingen der internationalen Grundwasserbestände sind derzeit noch ungeklärt. Im Moment gibt es einen immens großen Bedarf an der Formulierung rechtlicher Grundlagen des Wasserrechtes, sowohl was die Eigentumsrechte als auch was den Schutz der Reserven betrifft, das haben auch viele Veranstaltungen des Forums gezeigt. So gibt es noch immer viele Länder, welche keine eigenen Wasserschutzgesetze für Grundwasser aufweisen, wie Uruguay und Argentinien, oder im Begriff sind, Wasserrahmenrichtlinien zu entwickeln, wie z.B. Kolumbien. An der Notwendigkeit privater Beteiligung und privater Finanzierung an der Erschließung von Grundwasser und an der Verteilung ließ ein Großteil der Repräsentanten keinen Zweifel aufkommen. „Die Erschließung der Grundwasservorkommen der Welt bedarf dringend privater Investitionen“ lautet das Fazit eines UNESCO-Mitarbeiters. Hiermit ist keine Privatisierung der Grundwasserquellen gemeint, sondern „eine Betreibung der Brunnen und Serviceleistungen unter privater Verantwortung“. Dies bedeutet in der Realität nichts anderes als eine private Kontrolle über Grundwasserressourcen.

 

Umweltschutz als Begründung für Verwaltungsvormacht

 

Durch die komplexe Beschaffenheit der Aquiferen der Welt, wird der lokalen Bevölkerung die Entscheidungsgewalt über die Verfügung der Wasserressourcen mit Verweis auf die ökologische Bedeutung des Ortes entzogen. Das diesjährige Weltwasserforum war ein sichtbarer Beweis dafür, dass sich Weltbank, GEF und UN-Institutionen als Wegweiser und alleinige kompetente Sprecher der Gestaltung der Grundwasserressourcen der Welt sehen. Unterstützt werden sie dabei von einem Wissensund Expertennetzwerk aus Instituten und Universitäten. Diese erheben im Auftrag von internationalen Organisationen und innerhalb der Entwicklungsprojekte relevante, geologische, geographische und biologische Daten und stellen diese den finanzgebenden Institutionen zu Verfügung.

 

Als Verwaltungseinheit für Grundwassermanagement muss bei einer ökologischen Betrachtungweise das gesamte Wassereinzugsgebiet herangezogen werden. Die Wechselwirkung zwischen Grund- und Oberflächenwasser wird durch die zunehmenden Untersuchungsergebnisse immer deutlicher. Die Bedeutung des Grundwassers für die Erhaltung wertvoller und unersetzbarer Ökosysteme, wie das größte Feuchtgebiet Brasiliens, das Pantanal, ist unbestritten. Die ökologische Bedeutung der Grundwassersysteme wird als Begründung für die offiziellen Bemühungen herangezogen, mit Hilfe von Entwicklungsprojekten Verwaltungseinheiten mit Entscheidungsgewalt von der lokalen Ebene auf Ministerialebene zu heben. So wird die Entscheidung über die Verteilung des Wassers dem Einfluss der lokalen Bevölkerung zu entzogen.

 

Die Rolle der Weltbank

 

Am Beispiel des Grundwasservorkommens des Acuifero Guaraní werden Interessenkonflikte deutlich sichtbar. Zwar wird das qualitativ hochwertige Wasser schon lange genutzt, aber dass sich die Mercosur-Länder Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay aus demselben Grundwasserleiter bedienen, wurde erst vor rund 20 Jahren entdeckt. Laut dem Umweltexperten der brasilianischen NRO Rios Vivos, Alcides Faria, ist eine der Gefahren, dass durch Gesetzesänderungen eine Privatisierung der Wasserreserven begünstigt wird. Alcides Faria bestätigt auch, dass für das oberflächennahe Wasser des Aquifer eine Gefahr der Verseuchung durch Agrargifte besteht, welche im intensiven Sojaanbau eingesetzt werden. Trotz der Gefahr für das Grundwasser wird in der Region wegen der starken internationalen Nachfrage der Anbau von Soja noch weiter ausgeweitet. Für die Sojaexporte fällt täglich Urwald der illegalen Rodung zum Opfer.

 

“Wir appellieren deshalb an Deutschland und die anderen europäischen Staaten, die Sojaimporte aus diesen Risikoregionen, aber auch aus jüngst gerodeten Urwaldzonen zu stoppen. Korrekt wäre, kein Soja aus solchen Gebieten zu verbrauchen.“

 

Im Mai 2003 haben die MERCOSUR-Länder Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay in Montevideo das GEF (Global Environmental Facility) Projekt Guaraní Aquifer Environmental Protection and Sustainable Development Plan vorgestellt. Laut dem GEF ist das Grundwasservorkommen eines der wichtigsten strategischen Wasservorkommen der Welt. Das vorgestellte 4- Jahres-Projekt kostet 26,7 Millionen US-Dollar. Es wird finanziert von der Weltbank, den Regierungen Deutschlands und der Niederlande, der Internationalen Atomenergiebehörde und der Organisation Amerikanischer Staaten. Mit dem Projekt sollen unter anderem Basisdaten über den Aquifer erhoben werden. Das Projektziel ist nach offizieller Darstellung das gemeinsame Entwickeln und die Implementierung des nachhaltigen Managementplanes des Acuiferos Guaraní.

 

Die MERCOSUR-Staaten sind im steigenden Maße von Grundwasser abhängig. Im Staat São Paulo in Brasilien werden ca. 60,5 Prozent der Stadtgebiete ganz oder teilweise von Grundwasserquellen gespeist. Im Zusammenhang mit dem Wasser des Guaraní gibt es eine Reihe von potenziellen Nutzungskonflikten. Als Gefahren des Projektes werden unter anderem in der Aneignung von Wissen durch Firmen und in der Nutzung für privatwirtschaftliche Zwecke gesehen. Die Beteiligung der Zivilgesellschaft an dem GEF-Projekt und eine Präsenz der Öffentlichkeit in der Diskussion um das Wasser des Acuiferos Guaraní ist als sehr gering und kritisch einzuschätzen. An der Formulierung des Projektes haben keinerlei gesellschaftliche Vertreter partizipiert. Eine öffentliche Beteiligung und Information gab es auch in den ersten zwei Jahren es Projektes kaum. Im Jahre 2005 wurden auf Bestreben einiger Nichtregierungsorganisationen Zivilvertreter zu den Konferenzen eingeladen. Es existiert jedoch kein Fundus, der eine Beteiligung finanziell unterstützt. Des Weiteren haben zivilgesellschaftliche Repräsentanten keinerlei institutionelles Mitspracherecht bei den relevanten Entscheidungen. Angesichts des starken Firmeninteresses an eigenen Wasserquellen befürchten Beobachter daher die Privatisierung und Teilprivatisierung von Quellen des Grundwasservorkommens. Seit 2004 hat auch Uruguay als eines der vier MERCOSUR-Länder das Menschenrecht auf Wasser in der Verfassung verankert.

 

Politik mit dem Argument Umwelt

 

Einen weiteren interessanten Aspekt für das verstärkte Interesse an Projekten mit transnationalen Grundwasservorkommen brachte ein Gespräch mit GEF-Mitarbeitern ans Licht. Demnach dient das Interesse der Institutionen Weltbank und GEF an transnationalen Projekten vornehmlich der Verankerung und Verstärkung politischer Fäden in den Ministerien der Projektländer. Über die Repräsentanten der Umweltministerien kann auch im Konfliktfall, aufgrund ihrer geringgeschätzten politischen Relevanz, ein Weg der Kommunikation zwischen den Ländern gefunden werden. Auf diese Weise ist auch in Krisenzeiten ein Dialog zwischen den Ländern und politischer Einfluss möglich. So gewinnen internationale Finanzinstitute zunehmend politisches Gewicht und Zugang zu Informationen auch in kritischen politischen Phasen. Der Zuwachs von politischem Einfluss über den Umweg der Umwelt ist ein Aspekt, der einer weiteren öffentlichen Beobachtung bedarf.

 

Wasser als soziales und kulturelles Gut

 

Die wissenschaftlichen Grundlagen und die Komplexität des Einzugsgebietes von Grundwasser beinhalten noch viele technisch ungelöste Probleme. Dies bietet ungeahnte Möglichkeiten für neue Technologien und Analysemethoden. Der Diskurs der Wasserversorgung wird so zunehmend auf ein naturwissenschaftliches Niveau gehoben. Dennoch handelt es sich bei den Lösungen, welche Regierungsvertreter und Institute auf dem Forum präsentierten, zum großen Teil um institutionelle und rechtliche, also um politische Lösungen.

 

Die Verteilung und Verfügbarkeit von sauberem Wasser orientiert sich am sozialem Gefälle in der Gesellschaft. Die am stärksten von Wassermangel und schlechter Wasserqualität getroffenen Gruppen sind Frauen und Menschen in ländlichen Gegenden und urbanen Slumgebieten. Doch diese Gruppen haben keinen Einfluss auf die Verteilung ihrer in der Region vorhandenen Wasserressourcen. Wasser muss „als soziales und kulturelles Gut behandelt werden und nicht in erster Linie als Wirtschaftsgut“ (UN-Rechtskommentar Nr.15: §11). Menschen müssen über die Gestaltung ihrer Naturräume und über die Verteilung des Wassers selbst entscheiden können. Bei der zunehmenden In-Wert-Setzung von Wasser ist die internationale Anerkennung des Menschrechtes auf Wasser für alle Menschen unabdingbar. Die sozialen und ökologischen Widersprüche des heutigen wirtschaftlichen Systems brauchen eine Transformation der ungleichen Machtverhältnisse, auf denen es basiert: erste/dritte Welt, reich/ arm und Regierende und Regierte.