Kuba

Zwischen Überlebenskampf und Hightech

von Knut Henkel

Carmen Almiñaque hat schon umgestellt. Seit Anfang November akzeptiert die schmächtige Frau nur noch den peso convertible von den Touristen, die bei ihr unterkommen. Carmen vermietet seit fast sieben Jahren zwei Zimmer ihres Hauses in der Nähe des Platz der Revolution und lebt von den Einnahmen. ?Alle US-Dollar, die ich noch hatte, habe ich bei der Bank getauscht und auch meine Buchführung umgestellt?, so die rüstige Rentnerin, die gemeinsam mit ihrem Sohn das kleine Unternehmen führt. Der US-Dollar ist nicht mehr erwünscht auf der Insel und wird in den staatlichen Geschäften seit dem 8. November nicht mehr akzeptiert. Verboten ist die Währung des Klassenfeindes aber nicht und auch die Dollarkonten in Havanna bleiben unberührt von der Maßnahme der kubanischen Regierung.

 

Nur zehn Prozent Umtauschgebühr werden seit dem 14. November erhoben und die wollen die allermeisten Kubaner sparen. Und deshalb klingelten im November die Kassen von Wechselstuben und Banken. Für die Parteizeitung ?Granma? ein ?Vertrauensbeweis in die nationale Währung und die Rückkehr zur Währungssouveränität?. Doch die kam nicht ganz freiwillig: die US-Regierung habe Druck auf internationale Banken ausgeübt, die mit Kuba Geschäfte in US-Dollar durchführen, so Außenminister Felipe Pérez Roque gegenüber der Zeitung. So war die Schweizer UBS-Bank vom US-Schatzamt im Mai wegen Verstoßes gegen das US-Handelsembargo verwarnt worden, weil sie frische US-Dollar nach Kuba geliefert hatte. Auch die Beschränkungen von Dollartransfers von Familienangehörigen in den USA nach Kuba und die Reisebeschränkungen für Exilkubaner haben die Regierung in Havanna bestärkt, den US-Dollar in den staatlichen Geschäften des Landes nicht weiter zu akzeptieren und auf den peso convertible umzustellen. Der peso convertible wurde Mitte der neunziger Jahre als dritte Währung neben dem seit Juli 1993 legalen US-Dollar und dem peso nacional eingeführt. Damals hofften die Verantwortlichen im Finanzministerium die neue, in China gedruckte Währung international konvertibel zu machen. Im Verhältnis 1:1 wurde der peso convertible an den US-Dollar gekoppelt. ?Mittelfristig hoffen wir den US-Dollar durch den peso convertible zu ersetzen?, so Vizefinanzminister Rubén Toledo 1997 im Interview. Auch aus ideologischer Perspektive ein wegweisendes Konzept, denn die im Juli 1993 erfolgte Legalisierung der Währung des Klassenfeindes erfolgte aus ökonomischer Notwendigkeit und war aus politischer Perspektive ein äußerst schmerzlicher Schritt für die Verantwortlichen um Fidel Castro. Zentrale Voraussetzung für die Realisierung der angestrebten Währungsreform war jedoch mehr Produktivität in der Wirtschaft. Durch ein größeres Warenangebot auf dem nationalen Markt sollte der peso nacional stetig an Wert gegenüber dem US-Dollar gewinnen. Bei einem Verhältnis von 1: 10 sollte dann die Währungsreform durchgeführt werden, schilderte der Vizeminister die Strategie. Doch die hatte ein Handicap: die Produktivität in der nationalen Wirtschaft nahm trotz aller Anreize durch Prämien, Einkaufsgutscheine und sonstiger Vergünstigungen nicht im gewünschten Umfang zu. Während 1997 für jeden Dollar an den Wechselstuben 17 Peso gezahlt werden mussten, waren es im November 2004 deren 27.

 

Spielraum für die anvisierte echte Währungsreform war somit nicht vorhanden und letztlich haben die USA mit ihrer verschärften Embargopolitik den Kubanern die Entscheidung abgenommen: der US-Dollar wurde nun einfach durch den peso convertible ersetzt. Das Konzept, die Währung auch international konvertibel zu machen, war gescheitert, weil die fehlende Produktivität bis heute eines der zentralen Kennzeichen der kubanischen Wirtschaft ist. Es wird weniger produziert als konsumiert und ohne den ständigen Dollarzufluss von Verwandten aus dem Exil, vor allem dem US-amerikanischen, hätte sich die latente Finanzkrise längst zum Bankrott zugespitzt.

 

Latenter finzanzpolitischer Drahtseilakt

 

Etwa 1,2 Milliarden US-Dollar wurden 2002 laut der Interamerikanischen Entwicklungsbank (IDB) von den Auslandskubanern nach Kuba transferiert. Die so genannten remesas übersteigen bei weitem die Nettoeinnahmen aus dem Tourismus, dem wichtigsten Devisensektor der kubanischen Wirtschaft. Mit der Umstellung auf den peso convertible erhofft sich die kubanische Regierung internationalen Analysen zufolge auch mehr Kontrolle über den Devisenzufluss. Rund 200 Millionen US-Dollar sollen Schätzungen eines in Kuba ansässigen europäischen Bankers zufolge durch die Umstellung in die chronisch klammen Kassen gekommen sein. Eine Finanzspritze, die die Regierung Castro gut gebrauchen kann: Das Jahr 2004 war für die kubanische Wirtschaft alles andere als gut. Erst sorgte die Dürre im Osten der Insel für Ertragseinbussen bei den Ernten und zusätzliche Kosten für Hilfsmaßnahmen. Dann begann die Hurrikansaison, wobei allein der Hurrikan ?Charly?, der im August über die Insel zog, Schäden von weit über eine Milliarde US-Dollar hinterließ und zu guter Letzt brach die nationale Stromversorgung der Insel ein: mehrere Kraftwerke, unter ihnen das größte in der Nähe von Matanzas, stehen still beziehungsweise müssen für Wartungsarbeiten vom Netz genommen werden. Es fehlt an Ersatzteilen, wodurch zu wenig Strom zur Verfügung steht und die Produktion beeinträchtigt ist, so die offiziellen Quellen. Zudem stellen auch die hohen Erdölpreise die Regierung in Havanna vor Probleme, wie der Wirtschaftswissenschaftler Hiram Marquetti von der Universität Havanna in einer Studie aufzeigt. Probleme, die die Regierung in Havanna nicht ohne weiteres lösen kann und die kostspielig sind. Da soll die Abschöpfung der zirkulierenden US-Dollars durch die Währungsumstellung für eine kurze finanzielle Atempause sorgen. Doch das Devisenpolster der kubanischen Nationalbank ist gemeinhin schmal, daran hat auch der erfolgreiche Aufbau des Tourismus in den letzten 15 Jahren nichts Wesentliches ändern können. In diesem Jahr wird zwar voraussichtlich die Zwei-Millionen-Besucher-Marke überschritten und es wird mit einem Umsatz von zwei bis zweieinhalb Milliarden US-Dollar gerechnet, doch nur ein Drittel der Summe wird unter dem Strich als Gewinn ausgewiesen, der zudem noch in vielen Fällen mit den internationalen Partnern zu teilen ist, kalkulieren kubanische Sozialwissenschaftler. Um die Zuckerwirtschaft steht es hingegen schlecht: niedrigen Weltmarktpreisen stehen seit Jahren niedrige Erträge gegenüber, weshalb sich die Regierung vor zwei Jahren entschloss, 60 Prozent der Anbaufläche auf Nahrungsmittel umzustellen. Ob damit mittelfristig die latente Lebensmittelimportabhängigkeit beendet werden kann, ist bisher noch zu bezweifeln, denn fehlende Ressourcen und die niedrige Produktivität stehen dem entgegen. Einzig die Nickelproduktion hat bei den traditionellen Exportsektoren in den letzten Jahren kontinuierlich gute Ergebnisse vorlegen können: Auch dank internationalem Kapital und Management sind Produktion und Absatz mehr als verdoppelt worden. Der derzeit hohe Weltmarktpreis macht die Branche attraktiv und mit China steht ein neuer Investor in den Startlöchern.

 

Hoffnungsschimmer für die nationale Wirtschaft

 

Ähnlich hoffnungsfroh wie der Nickelbergbau sieht die pharmazeutisch-biotechnologische Industrie Kubas in die Zukunft. Im vergangenen Juli feierte die kubanische Presse einen internationalen Durchbruch: den Kooperationsvertrag zur Weiterentwicklung und Vermarktung von Krebsimpfstoffen zwischen dem Institut für Molekularimmunologie (CIM) und der in Kalifornien ansässigen CancerVax Corporation. Ziel der Vereinbarung, die vom US-Schatzministerium abgenickt wurde, ist es, mehre Impfstoffe zur Marktreife zu entwickeln und international zu vertreiben.

 

Für die Kubaner ein guter Deal, denn beim Vertrieb der kubanischen High-Tech-Produkte hapert es, während es in der Forschung rund läuft. Drei Impfstoffe, die das Wachstum von Krebszellen in Lunge, Brust, Prostata und Eierstöcken bremsen sollen, hat das kubanische Institut in den letzten Jahren entwickelt. Die klinischen Tests, die in Kuba begonnen wurden, sollen nun in den USA zu Ende geführt werden. Als sehr gut bezeichnet CancerVax die bisherigen Testergebnisse des Impfstoffs gegen Lungenkrebs. Von den meisten Patienten sei SAI-EGF - so der Name des Impfstoffs - gut vertragen, das Wachstum der Metastasen gehemmt worden, so CancerVax in einer Presseerklärung zum - in Anwesenheit von Fidel Castro - unterzeichneten Vertrag. David F. Hale, Präsident von CancerVax, ist begeistert vom ?Potential der brillanten kubanischen Produkte?. Die sollen die Krebstherapie nach vorne bringen. Doch auch in anderen Bereichen haben die Kubaner etwas anzubieten: Impfstoffe gegen Meningitis, Hepatitis B, verschiedene Interferone und einen Cholesterinsenker haben sie im Angebot. Geforscht wird an einem HIV-, Lepra-, Maleria- und Cholera-Impfstoff und die kubanischen Experten genießen mittlerweile einen guten Ruf in der internationalen Fachwelt. Der beginnt sich langsam auch in barer Münze auszuzahlen: 2003 sollen immerhin 300 Millionen US-Dollar mit dem Export von pharmazeutischen Präparaten umgesetzt worden sein. Der Traum vom máximo líder, aus Kuba eine Forschungs- und Wissenschaftsnation zu machen, scheint mit einiger Verzögerung doch noch wahr zu werden. Ob sich damit auch die latente Versorgungskrise lösen lassen wird, bleibt allerdings abzuwarten.