Mörderischer Spaß beim Schreiben

Spaniens erste Krimiautorin

von Gina Pellarini

Petra Delicado ist Mitte vierzig. Sie ist attraktiv, zwei Mal geschieden und eigentlich Anwältin. Doch nach der letzten Scheidung ändert sie ihr Leben und wechselt ihren Arbeitsplatz. Sie landet im Archiv der Bundespolizei in Barcelona. Dort sichtet und ordnet sie Polizeiakten von nie aufgeklärten Fällen. Eines Tages wird Petra in das Büro ihres Chefs zitiert. Man überträgt ihr den ersten Fall. Ein Mädchen ist vergewaltigt worden. Der Täter hinterlässt eine persönliche Signatur: auf dem Unterarm des Opfers ist ein eingeritztes Blumenmotiv zu erkennen. So beginnt die „Karriere“ von Petra Delicado, Inspektorin der Policía Nacional in Barcelona.

 

Die spanische Schriftstellerin Alicia Giménez Bartlett (1951, Almansa, Spanien) hat diese weibliche Romanfigur erfunden. Ein Novum in Spanien. Denn Petra Delicado ist in der spanischen Literatur die erste weibliche Polizeiinspektorin und ihre Erschafferin Alicia Giménez-Bartlett avanciert somit zur ersten spanischen Kriminalromanautorin. Und macht ihren männlichen und weitaus bekannteren Kollegen dieser Gattung, etwa Manuel Vázquez Montalbán (Detektiv Pepe Carvalho) oder Andreu Martín –beide in Barcelona ansässig- Konkurrenz. So recht kann sich die Autorin dieses Phänomen nicht erklären. Denn obwohl, wie sie selbst meint, die „Königinnen“ in der Kriminalromangattung in Europa und in den Vereinigten Staaten Frauen sind, „hat es in Spanien bisher keine Frau gegeben, die den Mut gefasst hat, Kriminalbücher zu schreiben“.

 

Vielleicht liege es auch daran, dass sich die Schriftsteller nach der Diktatur Francos (1939-1975) höheren, sozialeren Themen gewidmet hätten. Hinzu käme, dass der Kriminalroman von den Kritikern eher als zweites, schlechteres Genre eingestuft werde. Mittlerweile ist der fünfte Roman mit Petra Delicado erschienen und in sechs Sprachen übersetzt worden. In Spanien wurde gar eine 13-teilige Fernsehserie mit Inspektorin Delicado abgedreht. In Kürze plant auch ein italienischer Sender eine Fernsehfassung.

In Deutschland liegen bereits vier Übersetzungen der Petra–Delicado–Romane vor. Der letzte, „Tote aus Papier“, ist hier im Frühjahr erschienen.

 

Krimis zur Entspannung

 

Alicia Giménez Bartlett, die in französischer Philologie promoviert hat und seit 1975 in Barcelona lebt, veröffentlicht seit 1987 Romane, Sachbücher, Essays und Zeitungsartikel. 1997 erhielt sie sogar den „Premio Feminino Lumen“, einen angesehenen Literaturpreis. Ihre Popularität verdankt sie jedoch vor allem ihren Kriminalromanen. Seit sie 1996 mit dem Krimischreiben anfing, lautet ihr Motto: Schreiben, um sich zu vergnügen. „Als Schriftsteller sitzt man nicht wie andere vor dem Fernseher und lässt sich unterhalten. Man muss den Spaß selber herstellen“, sagt Giménez. Nach dem aufwendigen Roman über Nelly Boxall, die Köchin von Virginia Woolf, war sie „ausgelaugt“. Deswegen wollte sie etwas unterhaltsames schreiben. Unterhaltung und Ablenkung mit Abstrichen. Da kam ihr die Idee mit Petra Delicado, deren Erschaffung durchaus feministische Motive erkennen lässt. „Mir gefiel der Gedanke, dass sie eine weibliche Vorstellung von der Welt des Verbrechens und der Ermittlungen geben kann. Und mir gefällt, dass sie Chefin ist“, erzählt Alicia Giménez Bartlett. Eine Chefin, die ein Team leitet. Eine Frau, die sowohl negative als auch positive Charakterzüge aufweist. Denn in der Theorie heiße es, wenn Frauen die Welt regierten, gäbe es keine Kriege mehr. Oft sei es auch in der Literatur so, dass Frauen eine reine und engelhafte Gestalt hätten, meint die Schriftstellerin.

 

Daran glaube sie aber ganz und gar nicht. In ihrer literarischen Krimiwelt spielen Frauen daher die Hauptrolle und sind nicht bloß die verständnisvollen, nachsichtigen Polizistenehefrauen, die Komplizinnen oder Sekretärinnen. Petra Delicado ermittelt nicht nur in der Welt der Verbrechen, sie muss sich auch gegen ihre männlichen Kollegen und Vorgesetzten behaupten: gegen ihren Assistenten Fermín Garzón, der meint, dass Frauen für bestimmte Tätigkeiten einfach nicht geschaffen seien. Die Polizeiinspektorin kann manchmal richtig scharfzüngig sein. Und die besten Waffen, mit der Alicia Giménez Bartlett ihre Figur ausgestattet hat, sind ohne Zweifel Ironie und Humor.

 

Gesellschaftskritik via Krimi

 

Wie etwa auf den ersten Seiten des neuen Romans „Tote aus Papier“. Der Subinspektor Fermín Garzón betritt das Büro von Petra Delicado. Sie fragt ihn, wie es ihm an jenem Tag gehe. Ihn plagen grausame Kopfschmerzen. Auf die Frage, ob er schon ein Aspirin genommen habe, antwortet er mürrisch: „Wenn ich sage, dass ich Kopfschmerzen habe, dann hat es nicht gewirkt, oder?“ Diese Nettigkeit lässt die Inspektorin nicht auf sich sitzen und schlägt ihm vor: „Lassen sie sich doch den Schädel aufmeißeln, vielleicht hilft das“. Trotzdem mögen sich die beiden auf ihre Art und Weise. Schließlich müssen sie irgendwie zurecht kommen, denn es gilt den Mord an dem Skandaljournalisten Ernesto Valdés aufzuklären. Die Liste der potentiellen Täter geht ins Unendliche. Schließlich hat Ernesto Valdés alle möglichen Prominenten und Möchtegernadlige mit Dreck beworfen.

 

Wie für viele andere Autoren dieser Gattung ist auch für Alicia Giménez Bartlett der Kriminalroman der ideale Rahmen für Gesellschaftskritik. In ihrem neuen Roman „Tote aus Papier“ geht sie mit dem Ambiente des Show-Business und der Regenbogenpresse und indirekt auch mit deren Konsumenten, ins Gericht. Besorgniserregend sei, so die Autorin, dass die Regenbogenpresse in Spanien immer stärker vertreten sei und auch seriöse Zeitungen den Sensationsmeldungen immer Platz widmeten. Fernsehprogramme, in denen erfolglose Toreros, zweitrangige Flamencotänzerinnen oder verarmte Adlige interviewt werden, erfreuen sich immer höherer Einschaltquoten. Giménez geht es in diesem Roman um eine unterhaltsame Denunziation merkwürdiger Persönlichkeiten der spanischen Gesellschaft.