Ohne Kehrtwende kein Friede

Das Verbot von Batasuna und Verhaftungen von ETA-Führungskadern mögen Anlass geben, an ein Ende des Terrorismus in Spanien zu glauben. Mit Walter Haubrich führte Kahty Ziegler ein Interview via Internet über die Hintergründe des Terrorismus und den möglichen Lösungsan-sätzen für die Beendigung der baskischen Krise.

Herr Haubrich, sie gelten als Spanien-Experte unter den deutschen Journalisten. Seit wann leben Sie in Spanien und berichten für die Frankfurter Allgemeine Zeitung?

 

Seit 1969 berichte ich, unterbrochen von längeren Auf-enthalten in Lateinamerika, regelmäßig aus Spanien, habe aber auch vorher als Student und Dozent an spanischen Universitäten dort gelebt.

 

Einer der schwerwiegendsten Konflikte Spaniens spielt sich zwischen Staat und Baskenland ab. Worin sehen Sie die Ursachen des Konflikts?

 

Es gibt mehrere Ursachen. Die wichtigsten sind: 1. die Unterdrückung kultureller Eigenständigkeit der Basken und ihrer Bestrebungen nach größerer politischer Selbstverwaltung unter zentralistischen Bourbonenkönigen und der langen Diktatur des General Franco. Wirtschaftlich wurde das Baskenland selbst unter Franco nicht benachteiligt. 2. Die unterschiedliche soziale Entwicklung im stark feudalistischen Südspanien und dem wirtschaftlich und sozial ausgeglicheneren Norden. Dies führte im Baskenland zu einem politischen und teilweise rassistischen Überheblichkeitskomplex und einer Mythisierung bis hin zu einer teil-weisen Verfälschung der eigenen Geschichte.

 

Welche Rolle spielt die Partido Nacionalista Vasco (PNV) in diesem Konflikt?

 

Die PNV übernahm zunächst die Verteidigung baskischer Eigenständigkeit. Aus dieser verständlich defensiven Haltung entstand vor allem durch Sabino Arana ein überzogenes Selbstbewusstsein und eine häufig herablassende Haltung gegenüber Nichtbasken, vor allem den aus anderen Landesteilen zugewanderten Spaniern. Während der Republik und im Bürgerkrieg erwarb sich die PNV dank des Einsatzes der Partei für die demokratischen Ziele die Anerkennung aller Demokraten. Im Widerstand gegen die rechtsextreme Diktatur arbeitete die baskisch-nationalistische Partei eng mit der übrigen demokratischen Opposition, vor allem der Partido Socialista Obrero Español (Spanische Arbeiterpartei, PSOE) zusammen. Derzeit ist die Partei gespalten zwischen einer Mehrheit, welche eine weit-gehende Autonomie für ausreichend hält, und der in der Parteiführung stark vertretenen Minderheit, die einen unabhängigen baskischen Staat für wünschenswert und mittelfristig erreichbar hält.

 

Wie erlebten Sie die Gründung der ETA 1959?

 

Als Student in Madrid erfuhr ich von baskischen Studenten von der ETA-Gründung durch junge Anhänger von PNV, denen die Partei nicht aktiv genug und zu gemäßigt erschien. ETA praktizierte in den ersten Jahren nur Gewalt gegen Sachen, etwa gegen Symbole der Franco-Diktatur, und war bis Ende der 60er Jahre kein wichtiges Thema in den politischen Gesprächen der Gegner des Franco-Regimes.

 

Ist Batasuna der politische Arm der ETA?

 

Ja. Batasuna kann keine Entscheidung treffen, ohne die Einwilligung von ETA. Einige führende Mitglieder von Batasuna stehen in ständigem Kontakt mit der Führungsspitze von ETA. Andere versuchen, sich auf die normale politische Tätigkeit zu beschränken. In den von Batasuna gegründeten und teilweise kontrollierten Jugendorganisationen findet ETA den Nachwuchs für terroristische Kommandos.

 

Welche Bedeutung hat das Verbot Batasunas für die spanische Demokratie?

 

Ich halte die Intervention des spanischen Parlaments für überflüssig. Ein Verbot der Partei, für das es sicher ausreichende Gründe gibt, durch ein Urteil des Verfassungsgerichtes, wäre wohl demokratisch unanfechtbarer gewesen. Das Vorgehen des Untersuchungsrichters Garzón, bevor es eine gerichtliche Entscheidung gibt, lässt sich meiner Meinung nach nur in den Fällen rechtfertigen, in denen die Mitarbeit von Batasuna terroristische Anschläge hätte erleichtern können. Die Befugnisse der Untersuchungsrichter im spanischen Justizwesen halte ich allerdings generell für zu groß.

 

Führt das Verbot Batasunas zu einer Radikalisierung des Konflikts?

 

Das ist anzunehmen, allerdings erschwert die jetzt für Batasuna notwendige größere Vorsicht auch die terro-ristische Aktivität von ETA.

 

Ist das Verbot Batasunas eine Strategie der Terrorismusbekämpfung?

 

Die Regierung und die großen Parteien sagen das. Nur als Mittel zur Terrorismusbekämpfung ist das Verbot zu rechtfertigen.

 

Was bedeutet es für spanische Journalisten über ETA zu berichten?

 

Eine Zeitlang, vor allem in den letzten Jahren des Franco-Regimes, mussten spanische und vor allem ausländische Journalisten, die versuchten, objektiv über ETA zu berichten, mit Schwierigkeiten und auch Verfolgung durch die spanischen Sicherheitskräfte rechnen. Heute gibt es bei ETA schwarze Listen über spanische Journalisten, deren Veröffentlichungen der gewalttätigen und separatistischen Organisation nicht gefallen.

 

Kennen Sie spanische Kollegen, die wegen ihrer Berichterstattung über ETA verfolgt oder bedroht wurden?

 

Ja, zahlreiche. Einige erlitten auch Attentate, unter ihnen López Lacalle, Kolumnist bei El Mundo. Er wurde im Mai 2000 auf der Straße erschossen. Und Gorka Landaburu, ein guter Freund von mir, Baskenland-Korrespondent mehrerer Zeitungen, wurde durch ein Bombenpaket beträchtlich verletzt. Die Bombe war eingebaut in eine Zeitschrift, die Landaburu, da er abonniert war, regelmäßig zugeschickt bekam, so dass er auch dieses Paket ohne Verdacht öffnete. Sein Bruder Ander Landaburu, Leiter der Regionalredaktion von El País im Baskenland, wurde so oft bedroht, dass er sich nur noch unter ständigem Begleitschutz bewegen darf. Beide sind Söhne des früheren stellvertretenden baskischen Regierungschefs Landaburu, Mitglied der PNV, der während der Franco-Diktatur im Exil leben musste. Beide Söhne gelten als sehr aufgeschlossen für die baskische Autonomie.

 

Sind Sie selbst schon einmal von der ETA bedroht worden?

 

Nein. Von Zeit zu Zeit erhalte ich Schreiben von der ETA-Führung, in denen ich an die wichtige Rolle der ausländischen Korrespondenten im baskischen Konflikt erinnert werde und man mich auffordert, „die Wahrheit über die Unterdrückung des baskischen Volkes“ zu berichten.

 

Sehen Sie Lösungen für eine Beendigung der Gewalt?

 

Kurzfristig nicht. Die zunehmend größere Feindschaft zwischen PNV und der Partido Popular (Volkspartei, PP) Aznars erschwert eine Lösung des Konfliktes. Ein Ende der Gewalt ist nur möglich durch eine Zusammenarbeit zwischen PNV – vorausgesetzt, dort setzt sich der nicht für eine schnelle Unabhängigkeit arbeitende Flügel durch - und demokratisch gesamt-spanischen Parteien. ETA, und das mag das Ende der Gewalt vielleicht doch beschleunigen, hat zunehmend mehr Schwierigkeiten, Terroristen für die Kommandos zu rekrutieren. Die zunehmend stärkere Zusammenarbeit mit der französischen Polizei – fast alle wichtigen ETA-Mitglieder wurden in den letzten Jahren in Frankreich festgenommen – macht es für die bewaffnete Organisation immer schwieriger, terroristische Anschläge in Spanien auszuführen.

 

Baskisch

 

Vor 3.000 Jahren war die baskische Sprache eine von vielen nicht-indoeuropäischen Sprachen in Europa. Heute gehört Baskisch, Ungarisch oder Finnisch zu den wenigen nicht-indoeuropäischen Sprachen, die in Europa noch gesprochen werden. Die Sonderstellung begründet sich unter anderem darin, dass diese Sprachen nicht mit anderen Sprachen verwandt sind.

 

Baskisch – spanisches / Spanisch – baskisches Wörterbuch