Salsa, Samba, Santería

Musikalische Reise durch Lateinamerika

von Kathy Ziegler

Arne Birkenstock und Eduardo Blumenstock stellten am 28. und 29. Oktober 2002 im Kölner Kunstsalon ihr Buch „Salsa, Samba, Santería“ (siehe auch Rezensionen) vor, das einen Überblick über die Musik in Lateinamerika bietet. Beide Autoren lasen nicht nur aus ihrem Werk, sondern gaben auch eine Kostprobe ihres musikalischen Könnens.

Begleitet von dem Ensemble Los Chincoles nahmen sie gleich zu Anfang der musikalischen Lesung Klischeevorstellungen über „lateinamerikanische Musik“ aufs Korn. Mit „Ay, ay, ay, ay, Karneval in Rio“ gaben Paz und Pia Miranda, die beiden Sänger-innen des Ensembles, inbrünstig einen der bekanntesten deutschen Karnevalshits zum Besten, womit sie den unbestreitbaren Einfluss der Musik aus Lateinamerika auf den deutschen Schlager hervorragend belegten. Dass es sich dabei im Original um einen der bekanntesten mexikanischen Son mit dem Titel „Cielito lindo“ handelt, dessen Refrain „Ay, ay, ay, canta y no llores“ lautetund somit weder in Beziehung zum Karneval noch zu Brasilien steht, deckt in humorvoller Weise das mangelnde Wissen über diese musikalischen Welten auf. Je-dem im Saal wurde klar, mit welchen Klischees an diesem Abend aufgeräumt werden würde. Weder gibt es den Lateinamerikaner an sich, noch lässt sich die musikalische Vielfalt dieser rhythmischen Hemisphäre auf Salsa und Samba reduzieren.

 

Rund zwei Jahre arbeiteten die beiden Autoren an der 340 Seitenstarken Zusammenstellung. Eineder Schwierigkeiten, die sie über-winden mussten, war die Zusam-menfassung, Auswahl und unwei-gerlich Reduzierung der musikali-schen Vielfalt zu einem lesbarenBuch. „Ich kenne keinen Lateina-merikaner, der sich bislang dieserAufgabe gestellt hätte“, beteuerten Paz Miranda und Enrique Díaz, der als Percussionist, Gitarrist und Bassist mit Los Chincoles auftrat.

 

„Wir möchten einen Überblick über die Musik inLateinamerika geben. Sicherlich gibt es so manche Lü-cke in unserem Buch, doch wir wollten gerade für dieLeser ohne Studium der Lateinamerikanistik oder Musik-wissenschaften ein lesbares und verständliches Buchschreiben“, erklärte der Deutsch-Spanier Eduardo Blu-menstock die Intention der beiden Autoren. „Würdenwir dem Anspruch der Vollständigkeit gerecht werdenwollen,“ fuhr er fort, „dann müssten wir eine Enzyklo-pädie erstellen, über die wir graue Haare bekommenwürden.“ Sie wollen aber die Leser in die musikalischenWelten Lateinamerikas einführen und dabei auch die his-torischen, politischen und soziokulturellen Besonderheiten der verschiedenen Länder erwähnen, die schließlichdie Musik entscheidend geprägt haben.

 

In diesem Sinne nahmen Arne Birkenstock, Eduardo Blumenstock und Los Chincoles das Publikum an die-sen Abenden mit auf eine Reise durch den Kontinent,führten es ein in die verschiedenen Rhythmen, erklärtenihm die Zusammenhänge ihrer Entstehung und begeis-terten durch zahlreiche und vielfältige Arrangements. LosChincoles ist eine der Musikformationen, die EduardoBlumenstock leitet. Als Pianist und Gitarrist stellte er andiesem Abend sein Können unter Beweis. Mit Stückenwie „Como fue“ von Benny Moré, das auch auf derCD zu hören ist, die dem Buch beiliegt, konnte das Pu-blikum die theoretischen Ausführungen sofort an prak-tischen Musiktiteln überprüfen.

 

Weder der in Siegen geborene Arne Birkenstock nochder aus Madrid stammende und in Ulm aufgewachsene Eduardo Blumenstock studierten im klassischen Sinne Musik. Beide lernten sich an der Kölner Universität während ihres Studiums der Regionalwissenschaften Lateinamerika kennen. Arne Birkenstocks Leidenschaft gehörtdem Tango und dem Akkordeon. Er veröffentlichtebereits mit Helena Rüegg das Buch „Tango“, dasebenfalls im dtv-Verlag erschienen ist.

 

Enrique Díaz, Paz und Pia Miranda kommen aus Chile und leben seit vielen Jahren in Köln. Enrique Díazist einer der profiliertesten Jazz- und Latinbassisten inDeutschland. Er arbeitete mit Markus und Simon Stock-hausen, Charly Mariano, Mike Herting, Luis Borda undvielen anderen internationalen Musikgrößen zusammen.Pia Miranda studierte an der Kölner Musikhochschuleklassische Posaune. Ihre Zwillingsschwester Paz studiertdort zur Zeit noch Jazzgesang. Beide singen und spielenaußer in Los Chincoles noch in weiteren Latin-En-sembles. „Buchvorstellung, Lesung und Konzert, in dem beideAutoren als Musiker und Sprecher agieren, ist ein ganzneues Konzept“ erklärte Tom Klöwer, der alsPercussionist Los Chincoles bereicherte.

 

Er ist Autor desBuches „Die Welten der Trommeln“. Seit vielen Jahrenbeschäftigt er sich mit Perkussion und studiert die Rhyth-men aus Afrika und Lateinamerika. „So eine Veranstal-tung, die auch neue Wege geht, finde ich sehr spannendund macht mir großen Spaß. Es ist ein Genuss mit die-sen Musikern zusammenzuarbeiten. Pia und Paz habenso eine Wärme in ihrer Stimme, dass man seine eigeneMusik ganz in den Dienst ihres Gesangs stellt.“

 

Immer wieder wechselten sich Lesung und Musik-beispiele ab. Eine Ranchera wie „Allá en el rancho grande“, Protestlieder wie „Hasta siempre, ComandanteChe Guevara“ von dem Kubaner Carlos Puebla oder„A pesar de você“ des Brasilianers Chico Buarque, Bo-leros wie „Perfidia“ oder Son-Stücke wie „El tren“ ha-ben wir längst alle schon einmal gehört. Auf die Dar-bietung eines Salsa-Stückes musste das Publikum ausräumlichen Gründen verzichten, denn auf der kleinenBühne des Kunstsalons hätte man die Blechbläser über-einander stapeln müssen.

 

Dafür gruben Arne Birken-stock und Los Chincoles so reizvolle und wenig be-kannte Folklore-Stücke wie die argentinische Milonga inihrer Schatztruhe aus. Mit dem wunderschönen Stück„Los hermanos“ von Atahualpa Yupanqui verzauber-ten sie das Publikum, das die Künstler mit Begeisterungund Applaus überhäufte.

 

Am Ende der Reise hätte das Publikum gern seinTicket verlängert, doch mehr als zwei Zugaben schaff-ten die Künstler nach rund zwei Stunden Konzert undLesung nicht mehr. Das „latinisierte“ Publikum spende-te tosenden Beifall. Sicherlich benötigt es noch die einoder andere Veranstaltung bis es sich endgültig von derMusik mitreißen lässt und beginnt, mit den Hüften zuwackeln und mitzusingen. Aufgrund der positiven Re-aktion auf die Lesung mit Konzert planen Arne Birken-stock und Eduardo Blumenstock mit dem Ensemble2003 auf Tournee zu gehen und auch in anderen deut-schen Großstädten wie Berlin und Münchenaufzutreten.