Spanien, das Baskenland und das Verbot von Batasuna

Von Antje Helmerich

Das spanische Parlament hat Ende August ein Verbotsverfahren gegen die baskische, ETA-nahe Partei Batasuna eingeleitet. Doch ist ein Parteiverbot der richtige Schritt im Kampf gegen terroristische Gewalt?

Die baskische Partei Batasuna (Einheit) beschäftigt Justiz und Politik in Spanien schon seit Jahren. 1978 wurde die Partei unter der Bezeichnung Herri Batasuna (Einheit des Volkes, HB) gegründet. Von Anfang an verstand sie sich als breite “linkspatriotische” Volksbewegung, propagierte die Selbstbestimmung der baskischen Nation und forderte die Wiedervereinigung des spanischen und des französischen Baskenlandes in einem unabhängigen, sozialistischen und baskischsprachigen Staat. Seit Jahren gibt es am engen Verhältnis zur Terrororganisation Euzkadi Ta Askatasuna (Baskenland und Freiheit, ETA) wenig Zweifel. Im Laufe ihrer Existenz vollzog die radikalnationalistische Partei mehrere Strategie- und Namenswechsel; die wesentlichen Inhalte und vor allem die Billigung der ETA-Gewalt durch die Parteiführung blieben indes unverändert. 1998 änderte die Partei ihren Namen in Euskal Herritarrok (Wir, die Basken, EH) und versprach eine grundlegende Neuorientierung. Doch die vorübergehende Annäherung an die gemäßigt nationalistische Partido Nacionalista Vasco (Baskisch-Nationalistische Partei, PNV) endete bereits im Sommer 2001 mit der Umbenennung in Batasuna und einer erneuten Verschärfung der Strategie.

 

Überraschungscoup

 

Am 26. August 2002 entschieden die spanischen Parlamentarier über den Antrag, ein Verbotsverfahren gegen die radikale Baskenpartei einzuleiten. Doch zunächst war die Justiz im Kampf gegen den Terrorismus schneller: Wenige Stunden vor Beginn der Debatte ordnete der bekannte Untersuchungsrichter Baltasar Garzón die Suspendierung sämtlicher Parteiaktivitäten Batasunas auf Grund unzähliger Verstöße gegen Bestimmungen des Strafrechts an. Vier Jahre lang hatte Garzón Material über die Partei und die zahlreichen ihr angegliederten sozialen Organisationen gesammelt, um zu beweisen, dass Batasuna nicht nur ideologisch in der Nähe ETAs angesiedelt, sondern in Wahrheit ein grundlegender Bestandteil der “Terror-Maschinerie” sei. Die Reaktionen auf den Überraschungscoup des Untersuchungsrichters waren geteilt.

 

Während die spanische Regierungspartei Partido Popular (Volkspartei, PP) von Ministerpräsident José María Aznar die “Stärke des spanischen Rechtsstaates” und die gute Kooperation zwischen Justiz und politischer Führung lobte, kam aus dem Baskenland und auch aus Katalonien Kritik an Garzón, der sich zum “bloßen Erfüllungsgehilfen” von Aznars “zentralistischen Träumen” gemacht habe. Außerdem befürchtete die baskische, von der PNV geführte Regionalregierung, die Suspendierung werde zu einem “Ausnahmezustand” in der baskischen Region führen. Tatsächlich gelang es der Polizei in den folgenden Tagen teilweise nur unter Einsatz von Gewalt, Batasuna-Parteizentralen zu räumen und Propagandamaterial zu beschlagnahmen.

 

Der lange Weg der “Lex Batasuna”

 

Dass das Verbot einer Partei eine heikle Angelegenheit ist, weiß man auch in Spanien. Gerade deshalb bemühte man sich das gesamte Frühjahr hindurch um eine einwandfreie gesetzliche Grundlage für dieses Vorhaben. Das alte Parteiengesetz aus den siebziger Jahren verbot die Nähe zu Gewalt und Terrorismus nicht ausdrücklich. Als die spanische Regierung Anfang 2002 beschloss, den politischen Druck auf ETA und ihr Umfeld zu erhöhen, wurde deshalb schnell deutlich, dass es zunächst der Reform des Parteiengesetzes bedurfte.

 

Obwohl die Volkspartei von Ministerpräsident Aznar seit den Wahlen von 2000 über eine absolute Mehrheit im Parlament verfügt, versuchte sie von Beginn an, die größte Oppositionspartei, die Partido Socialista Obrero Español (Spanische Sozialistische Arbeiterpartei, PSOE) unter José Luis Rodríguez Zapatero, ins Boot zu holen. Die Verantwortung für das erste Parteiverbot in 27 Jahren Demokratie schien die spanische Regierungspartei unbedingt mit dem wichtigsten politischen Rivalen teilen zu wollen.

 

Beide Parteien einigten sich dann auch bereits Anfang des Jahres 2002, ungeachtet ihrer sonstigen Rivalität in dieser Frage, zusammenzuarbeiten - und doch entpuppten sich die Gesetzesdebatten als kompliziert. Erst am 27. Juni 2002 war es soweit: Das neue Parteiengesetz wurde von beiden Kammern des Parlaments mit großer Mehrheit gebilligt. Neben PP und PSOE hatten auch die katalanische Convergencia i Unió (Konvergenz und Einheit,CiU) sowie die Regionalisten aus Andalusien und von den Kanarischen Inseln für das Gesetz gestimmt. Die baskische PNV sowie die Kommunisten von der Izquierda Unida (Vereinigte Linke, IU) votierten hingegen mit Nein.

 

Der Verbotsantrag

 

Die strikte Weigerung der Parteiführung Batasunas, das ETA-Attentat zu verurteilen, das am 4. August 2002 im Urlaubsort Santa Pola zwei Menschenleben gekostet hatte, galt als Auslöser für den Verbotsantrag, der wenige Stunden nach der Suspendierung der Batasuna-Aktivitäten verabschiedet wurde. Hinzu kamen über zwanzig weitere Verstöße gegen das neue Parteiengesetz seit dessen Inkrafttreten Ende Juni 2002, wie aus dem Bericht von Justizminister José María Michavila hervorgeht. So sei die ständige Sekundierung der ETA-Gewalt auf Demonstrationen und durch Kommuniqués ebenso ein Verbotsgrund wie die Bereitstellung von Batasuna-Zentralen zur Planung von Attentaten und zur Rekrutierung neuer ETA-Mitglieder. Zudem seien etliche Abgeordneten oder Kandidaten der Partei rechtskräftig wegen terroristischer Delikte verurteilt.

 

Im Vorfeld der Parlamentssitzung vom 26. August hatten sich Sozialisten und “Populares” vor allem um die Zustimmung der Parteien aus den Regionen bemüht, wenn auch nur mit sehr mäßigem Erfolg. Während sich die katalanische CiU, die zwei Monate zuvor das neue Parteiengesetz noch mit unterzeichnet hatte, enthielt und sogleich von Vertretern der PP des “Verrates” bezichtigt wurde, stimmten die Parlamentarier der PNV geschlossen gegen den Verbotsantrag. PNV-Sprecher Iñaki Anasagasti beschuldigte die spanische Regierung, sie wolle alle Nationalisten und Regionalisten in Misskredit bringen. Letztlich gehe es Aznar vor allem darum, pflichtete der Parteivorsitzende Xabier Arzalluz bei, die PNV zu vernichten.

 

Widerstand aus dem Baskenland

 

Auch in den folgenden Tagen war es vor allem die PNV, die besonders vehement gegen den Antrag der spanischen Parlamentarier und die Anordnungen des Richters Garzón polemisierte. Offiziell bestehen keine Verbindungen zwischen ihr und Batasuna. Allerdings ist es in den letzten zwanzig Jahren immer wieder zur Zusammenarbeit beider Parteien gekommen; nicht wenige Gesetzesprojekte sind im Baskischen Regionalparlament mit den Stimmen der gemäßigten und radikalen Nationalisten gegen die nichtnationalistischen Parteien zustande gekommen.

 

Doch obwohl die PNV die besonders enge Kooperation der Jahre 1998 bis 2000 im Vorfeld der letzten Regionalwahlen vom Mai 2001 aufgekündigt hatte und ihre Kritik an den Radikalen seither intensiviert, sieht sie sich nach wie vor als Fürsprecherin aller Nationalisten. Daher wertet sie den Verbotsantrag als Einmischung in die internen Belange des Baskenlandes und als Angriff gegen die baskische Nation. Das Verbot von Batasuna werde die baskische Gesellschaft endgültig spalten, gab Arzalluz zu bedenken. Außerdem treibe ein Verbot die Batasuna-Mitglieder nur noch enger “in die Arme ETAs”. Seit der Verabschiedung des Verbotsantrages gehen im Baskenland die Menschen zu Tausenden auf die Straßen. Am 1. September 2002 fand trotz massiver Kritik aus Madrid eine zunächst verbotene Demonstration von Batasuna-Anhängern in San Sebastián statt. Die baskische Regionalregierung hatte die Kundgebung toleriert, um den “sozialen Frieden” in der Region zu bewahren, wie Regierungschef Juan José Ibarretxe äußerte.

 

Nun stehen spannungsreiche Wochen bevor, bis die obersten spanischen Richter voraussichtlich Anfang 2003 über das Verbot von Batasuna entscheiden werden. Geben sie dem Antrag statt, ist die Gefahr einer weiteren Polarisierung der baskischen Gesellschaft jedenfalls nicht auszuschließen. Und selbst wenn sie den Antrag ablehnen, ändern wird dies an der offensichtlichen Verschlechterung der ohnehin seit Jahren vergifteten Beziehungen zwischen Madrid und dem Baskenland kaum etwas.

 

Die Autorin promovierte über das Nationalitätenproblem im Baskenland. Ihre Dissertation ist in diesen Tagen erschienen: Helmerich, Antje: Nationalismus und Autonomie. Die Krise im Baskenland 1975-1981, Stuttgart 2002.

 

Literaturhinweise

 

  • Brick, Renate: Regionalistische Bewegungen zwischen internationaler Integration und regionaler Eigenständigkeit: Baskenland und Katalonien, Hamburg 1996
  • Kraus, Peter A.: Nationalismus und Demokratie, Wiesbaden 1996
  • Conversi, Daniele: The Basques, the Catalans, and Spain, London 1997
  • Wandler, Reiner (Hg.), Euskadi. Ein Lesebuch zu Politik, Geschichte und Kultur des Baskenlands, Berlin 1999
  • Arriaga Landeta, Mikel: ... y nosotros que éramos de HB, Donostia 1997
  • Aulestia, Kepa: HB. Crónica de un delirio, Madrid 1989
  • Juaristi, Jon: El bucle melancólico, Madrid 1997 Savater, Fernando: Contra las patrias, Barcelona 1985
  • Savater, Fernando: Libre Mente, Madrid 1995 Waldmann, Peter: Ethnischer Radikalismus, Opladen 1989