Rezensionen zu Capoeira

von Ivan Jung

 

Bira Almeida: Capoeira - A Brazilian Art Form (engl.), North Atlantic Books ISBN 0938190296

Bira Almeida, besser bekannt als Mestre Acordeon, trainierte bei Mestre Bimba bevor er in die Vereinigten Staaten ging. In San Francisco betreibt er die Capoeira-Schule United Capoeira Association, die mittlerweile Dependenzen in ganz Amerika unterhält. Von seinen amerikanischen Schülern wiederholt nach Literatur gefragt, begann er, das Wichtigste über Capoeira in Englisch aufzuschreiben. So entstand eines der ersten Bücher über Capoeira, das auch in Europa erhältlich war. Die Geschichte der Capoeira sowie das Zusammenspiel von Musik und Capoeira werden ausführlich behandelt. Mestre Acordeons anekdotenreicher Stil ist eingängig und seine fundierte Kenntnis, gespeist aus umfangreicher Lektüre und Ausbildung unter einem der bedeutendsten Capoeira-Meister, machen das Buch zu einem Muss für jeden Capoeira-Interessierten.

 

J. Lowell Lewis: Ring of Liberation : Deceptive Discourse in Brazilian Capoeira (engl.), University of Chicago Press ISBN 0226476839

Das zweite englischsprachige Buch, Ring of Liberation, von dem US-amerikanischen Anthropologen James Lowell Lewis ist im Vergleich zu Bira Almeidas Buch wissenschaftlich verfasst. Lewis behandelt ebenfalls die Geschichte, geht aber stärker auf die Rituale der Capoeira ein. Beispielsweise erklärt er, wie eine Roda abläuft und worauf es im Spiel ankommt. Aus der Perspektive des wissenschaftlichen Beobachters berichtet über eine Roda, in die er selbst eingreift. Diese Methode ist problematisch. Einerseits ist es für einen Praktizierenden leichter, die Rituale zu durchschauen und zu Capoeira-Meistern Kontakt aufzunehmen, während Außenstehende ausgeschlossen bleiben. Andererseits leidet die Objektivität der Darstellung. Lewis macht aus seiner Vorliebe zur Capoeira Angola keinen Hehl. Besonders wegen seiner Beschreibungen des Spiels und der Rituale, die für Außenstehende und Anfänger schwer verstehbar sind, ist das Buch empfehlenswert.

 

Dirk Hegmanns: Capoeira - Die Kultur des Widerstandes, Schmetterling Verlag ISBN 3-926369-92-2

Dirk Hegmanns schreibt in Capoeira – Die Kultur des Widerstandes als Soziologe über sein Hobby Capoeira. Er schreibt betont salopp. Über lange Strecken wirkt es daher wie ein „Sponti“-Buch. Wenn er beispielsweise beschreibt, wie er sich „magisch von Capoeiraklängen angezogen fühlt“, die er in Brasilien auf der Straße aufschnappt. Leider achtet Hegmanns bei brasilianischen Begriffen nicht die Schreibweise. Batizado beispielsweise, die Capoeira-Taufe, schreibt er mit einem „s“. Darüber hinaus hält er an überholten Mythen fest wie der Existenz der Capoeira im Quilombo dos Palmares, die nicht belegt ist. Bei dem Versuch, Capoeira als Ausdruck des Widerstandes der schwarzen Unterschicht hoch zu stilisieren, zeigt sich die einseitige afrozentristische Sichtweise des Autors. Capoeirista haben in der Vergangenheit auch Unschuldige angegriffen und sich heftige Straßenkämpfe untereinander geliefert. Der ausführliche Musikteil, der übersetzte Liedtexte beinhaltet und Notationen der gängigen Toques wiedergibt, ist besonders für Leute geeignet, die nicht Portugiesisch sprechen. Die Abbildungen von Capoeira-Bewegungen im hinteren Teil des Buches kann man allerdings als netten, aber misslungenen Versuch abhaken.

 

Piero Onori: Sprechende Koerper, Edition diá., St.Gallen, Köln, ISBN 3-905482-33-9

Sprechende Körper von Piero Onori ist leider vergriffen und nur noch im Antiquariat oder in Bibliotheken zu haben. Inhaltlich bietet Onori nichts Neues. Allerdings sind die zahlreichen Farbfotos von Capoeirista aus Salvador da Bahia beeindruckend.

 

Nestor Capoeira: Capoeira - Kampfkunst und Tanz aus Brasilien, Weinmann-Verlag ISBN 387892068-7

Capoeira – Kampfkunst und Tanz aus Brasilien von Nestor Capoeira ist das zweite hier vorgestellte Buch von einem Capoeira Meister. Die Erstausgabe erschien 1981 als erster Teil einer Trilogie, das jedoch erst 1999 auf Deutsch erschien. Nach einigen Auslandsaufenthalten sah Nestor die Notwendigkeit, neben dem praktischen Unterricht Capoeira auch theoretisch zu vermitteln. Das Buch beginnt ebenfalls mit der Geschichte, leitet über in einen Musikteil und endet mit einem praktischen Teil. Die Bewegungen werden zeichnerisch dargestellt. Diese Lehrstücke können allerdings nur begleitend zu einem Capoeira-Unterricht verwendet werden. Die Verletzungsgefahr beim Selbsttraining ist sehr hoch und letztlich lebt die Capoeira von dem Zusammenspiel mit anderen. Grundsätzlich ist dieses Buch dem von Hegmanns vorzuziehen, da hier ein Capoeira-Mestre spricht.

 

Ein dickes Minus gibt es allerdings für die Übersetzung: Unverständliches wie „Meidbewegungen“ findet sich neben Falschem. Das Wort „Malagradagem“ mag sich exotisch anhören, existiert aber nicht. Gemeint ist hier wohl Malandragem. Aus der Trilogie ist nur die Fundamentos da Malicia empfehlenswert. Es ist der letzte Band und speziell für Geschichtsinterssierte empfehlenswert, jedoch nur auf Portugiesisch erschienen.

 

Tiago de Oliveira Pinto: Capoeira, Samba, Candomble. Afro-Brasilianische Musik im Recôncavo, Bahia, Dietrich Reimer, Berlin 1991, 264 S., ISBN 3-496-00497-5

Capoeira, Samba, Candomble. Afro-Brasilianische Musik im Recôncavo, Bahia handelt es sich hierbei nicht explizit um ein Capoeira-Buch. Dennoch ist es eine erwähnenswerte Ergänzung zu den bereits vorgestellten Bänden. Das Material hat der Autor in ausgiebigen Feldstudien im so genannten Reconcavo, dem Hinterland Salvadors, gesammelt.

 

Außergewöhnlich ist die Beschreibung des Maculéles, eines traditionellen Stocktanzes, der meist zusammen mit Capoeira aufgeführt wird. Im Capoeira-Teil wird der aktuelle Stand der Historiographie wiedergegeben und berücksichtigt speziell die bahianische Entwicklung der Capoeira, mit dem stärkeren Bezug zum Candomblé und der Entwicklung der ländlichen Capoeira. Der Musikteil ist sehr ausführlich und auf ethnologischem Hintergrund. Unter anderem findet man dort auch Bauanleitungen zu den gängigen Capoeira- Instrumenten Berimbau und Caxixí, dem Musikbogen und der dazugehörigen Rassel.

 

Die vorgestellten Bücher sind nur eine kleine Auswahl der vorhandenen Capoeira Literatur, der überwiegende Teil ist allerdings auf Portugiesisch. Die Bibliographie Bibliografia Critica da Capoeira von Mestre Itapoan (Raimundo C.A. de Almeida) listet 2.342 Schriften auf und kann unter folgender Adresse bestellt werden: PROGRAMA NACIONAL DE CAPOEIRA, Projeto Capoeira Arte & Oficio, Centro de Informação e Documentação sobre a Capoeira - CIDOCA/DF, Caixa Postal 09760 - Ag. Central, 70.001-970 - Brasilia, DF, Brazil

 

Wer des Portugiesischen mächtig ist und ein wenig Geduld mitbringt, sollte sich an die „Bibel der Capoeira“ rantrauen, der sozi-ethnografischen Studie Capoeira Angola von Waldeloir Rego aus dem Jahre 1968. Auf mehr als 400 Seiten lässt der Autor praktisch keinen Aspekt der Capoeira aus. Die Lektüre ist allerdings nur für profunde Kenner der portugiesischen Sprache empfehlenswert. Der Fußnotenapparat erreicht teilweise enorme Ausmaße. Außerdem soll es nur 1.000 Exemplare dieses Werkes geben. Als Capoeira-aficionado kommt man aber an diesem Standardwerk nicht vorbei.