Zur medizinischen Versorgung in GUATEMALA

von Ines Hölter

Wie bereits im August die Ärzte der beiden größten öffentlichen Krankenhäuser Roosevelt und San Juan de Dios, hat nun auch das Personal des Instituto Guatemalteco de Seguridad Social, IGSS, am 16. September zum Streik für die Durchsetzung höherer Löhne und einer besseren medizinischen Ausstattung aufgerufen.

Das IGSS befindet sich in einer Krise, weil es an Personal, Material und Ausrüstung fehlt. Ferner haben wir allein in diesem Jahr bereits den fünften Direktor“, erzählt Boris García, Sprecher der Ärzteschaft. Die Direktoren mussten alle nach kürzester Zeit wegen Korruptionsvorwürfen zurücktreten. Weiter führt García an, dass bessere Bezahlung und vor allem verbesserte Arbeitsbedingungen bereits seit vielen Jahren gefordert würden; man habe jedoch nie Gehör gefunden. Die Geduld der Ärzte der IGSS ist nun am Ende: Am Abend des 15. September entscheiden sie sich für einen unbefristeten Streik.

 

Guatemala Stadt hat zwei öffentliche Krankenhäuser, sowie drei private, deren medizinische Versorgung jedoch nur der wohlhabenden Oberschicht zugänglich ist. Neben diesen Einrichtungen gibt es das Instituto Guatemalteco de Seguridad Social (IGSS) welches speziell für Arbeitnehmer eingerichtet wurde. Die monatlichen Beiträge zur Mitgliedschaft werden teils von ihnen selbst, teils von ihren Arbeitgebern aufgebracht. Die Mitgliedschaft sieht sowohl die ärztliche als auch medikamentöse Versorgung vor - doch genau daran hapert es gewaltig.

 

Obwohl neue Programme zur Verbesserung der Versorgung beschlossen wurden, hat sich nicht viel geändert. Beschwerden der über 900.000 Mitglieder werden immer lauter. So berichtet María Luisa Mazariesgos aus Villa Nueva, dass sie vier Stunden vergeblich in der Notaufnahme gewartet hat, um ihren akuten Asthmaanfall behandeln zu lassen. Nachdem sie schließlich in einen der Behandlungsräume vorgelassen wurde, sagte man ihr, dass man sie nicht mehr behandeln könne. „Sie schickten mich in eine andere Klinik, wobei der Termin, den ich bekam, erst für Ende November war. Sie ziehen einem nur das Geld aus der Tasche“, erbost sie sich.

 

Otilia de Jesús Patzán, die neue Direktorin des IGSS, berichtet derweil von den vorgesehenen Erneuerungen und Programmen im Institut. Eines dieser Programme besteht aus einer Radiokampagne, die der Imageverbesserung dienen soll. Über die Kosten derselbigen wird jedoch keine Auskunft erteilt. Dies rief den Sprecher der Gewerkschaft der Angestellten des IGSS auf den Plan. „Es wird Geld für unsinnige Werbung ausgegeben, während die Behandlung der Patienten jeden Tag schlechter wird.“

 

Keine Medikamente

 

Dies bestätigt auch das dem IGSS angeschlossene Centro de Atención Médica Integral para Pensionados, CAMIP, in dem Pensionäre betreut werden. Obwohl man sich im Beisein des Personals lobend äußert, fallen die Urteile der Mitglieder hin- ter vorgehaltener Hand schlecht aus. So erklärt der 77- jährige, an Diabetes leidende Jeremías Escobar , dass seit zwei Monaten keine Medikamente mehr erhalten habe. Auch María Nicolás Tobar klagt über die miserable Versorgung mit Arzneien. Über eineinhalb Stunden wartete sie vergeblich auf die Aushändigung ihres Präparats. Auch der an Leukämie erkrankte Manuel Castellanos musste zuletzt das Geld für sein Medikament selbst aufbringen und sammelte deshalb den Betrag im Familienkreis zusammen. Dies könne aber nicht auf Dauer so sein, denn das würde für ihn und seine Familie den finanziellen Ruin bedeuten, sorgt er sich.

 

Estela Lemus Barrera weiß um diese Problematik. Dennoch verweist die Direktorin des CAMIP darauf, dass das Personal keine Schuld trifft, da Medikamente schlicht und einfach von den Listen gestrichen würden. Stattdessen berichtet sie stolz, dass nun die Patienten wenigstens nicht mehr unter „unmenschlichen Bedingungen“ warten müssten: im April wurden Stühle und Fernseher aufgestellt, so dass die Patienten sich nun bei einem Glas Wasser oder einer Tasse Kaffee die stundenlangen Wartezeiten versüßen können. Das wird jedoch nicht das Problem des immer knapper werdenden Personals lösen, welches sich einer stetig größer werdenden Menge von Patienten gegenübersieht. Denn die wachsende Anzahl von Patienten ist nicht nur in der gynäkologischen Abteilung ein Problem. Wie Mario Lobos, Direktor des Hospitals de Ginecología y Obstetricia, berichtet, ist die Abteilung hoffnungslos überfüllt. Während vor fünf Jahren die Zahl der jährlichen Entbindungen bei 12 Millionen lag, beläuft sie sich mittlerweile auf 17 Millionen – damit weist Guatemala im lateinamerikanischen Vergleich die zweithöchste Geburtenrate auf.

 

Generika: preisgünstige Alternative

 

Wegen der schlechten und dazu noch teuren medikamentösen Versorgung greifen immer mehr Guatemalteken zu Generika. Generika sind oft bis zu 80 Prozent billiger als die Originalprodukte, die die heimische Pharmaindustrie importieren muss. Laut der der Grupo Pharma, die diese Ersatzprodukte herstellt, gibt es momentan 250 solcher Generika, die die gleiche Qualität aufweisen, wie die Originale, „und das zu einem weitaus günstigeren Preis“, so Rodolfo Luna, Sprecher des Konzerns. Für viele Guatemalteken stellen diese No-Name-Produkte eine echte Alternative dar, denn bei monatlichen Löhnen und Gehältern zwischen Q1.500 (ca. 200 Euro) und Q5.000 (ca. 680 Euro) können viele hundert Quetzales gespart werden. „Es gibt viele Laboratorien in Guatemala, die das gekündigte Personal der großen internationalen Pharmakonzerne übernommen haben, nachdem diese ihr Land verlassen hatten. Von daher sind sie 100%ig zuverlässig“, so Rodolfo Luna. Trotz allem weist die Ärztin Mayra Cifuentes darauf hin, dass einige Firmen illegal arbeiteten und die hergestellten Arzneien keinerlei Wirkung hätten. Wenn also das Billigprodukt nicht wirke, sei es ratsam, auf das Original umzusteigen.

 

Aber nicht nur die Patienten und das Krankenhauspersonal, auch die Ärzte selbst sehen sich unmenschlichen Bedingungen ausgesetzt. So sind Operationen bei 45°C keine Seltenheit - die Klimaanlagen fallen öfter aus. Im Krankenhaus von Tiquisate, einer kleinen Stadt, 130 Kilometer von der Hauptstadt entfernt, ist jedoch nicht nur die Klimaanlage defekt, auch die Wäscherei und Küche sind unbenutzbar, weil die elementarsten Reparatur- Reparatur- und Wartungsarbeiten nicht ausgeführt werden. Krankenhausabfälle verbleiben über mehrere Tage in normalen Plastikeimern und ziehen Fliegen und anderes Ungeziefer an. Mittlerweile wurden im Gebäude Spuren von Bakterien, Pilzen und sonstigen Mikroorganismen entdeckt, die der Gesundheit nicht besonders zuträglich sein dürften. Luis Alfredo Carranza, eigentlich für die Instandhaltung des Gebäudes verantwortlich, gibt zu, dass „Einiges gemacht“ werden müsste. Ob die dafür zuständigen Behörden sich nicht darum kümmern wollen, oder ob einfach kein Geld da sei, wisse er allerdings nicht.

 

Das allerdings interessiert die Ärzte mittlerweile nicht mehr. Sie gingen im August für über eine Woche in Streik, so dass sowohl das Roosevelt als auch das San Juan de Dios ihre Türen schließen mussten. Erst nach zahlreichen Verhandlungen mit dem guatemaltekischen Gesundheitsminister, Mario Bolaños, nahmen sie am 19. August ihre Arbeit wieder auf. Doch weder ihre Forderung nach besserer Bezahlung, noch nach verbesserten Arbeitsbedingungen wurden bislang erfüllt. Nun folgen die Kollegen des IGSS ihrem Beispiel. Wird nun auch die Forderung nach der Absetzung Bolaños laut werden? Ein Misstrauensvotum gegen ihn wurde von der Opposition bereits eingereicht.