Öl gegen Wald

West LB finanziert Pipeline durch Schutzgebiete

von Torsten Esser

In Ekuador wird von der Firma Oleoducto de Crudos Pesados Ltd. (OCP ) eine Erdölleitung aus dem Amazonasgebiet bis zum Verladehafen Esmeraldas gebaut. Finanziert wird diese Pipeline von einem internationalen Konsortium zu dem auch die Westdeutsche Landesbank (West LB) aus Düsseldorf gehört. Umweltschützer, die die erstellten Umweltgutachten anzweifeln, kämpfen gegen einen Weiterbau auf der geplanten Strecke. Viele Ekuadorianer stehen dem Projekt aber auch wohlwollend gegenüber. In Mindo, einem der sensibelsten Abschnitte des Pipelinebaus, moderierte Torsten Eßer für Matices ein Gespräch zwischen Tourismusunternehmer Afredo Egas, der für den baldigen Weiterbau plädiert, und Hugolino Oñate, einem ortsansässigen Umweltaktivisten, der gegen das OCP-Projekt kämpft.

In welchem Bauabschnitt befindet sich die OCP-Pipeline momentan?

Hugolino Oñate (HO): Momentan (im Mai 2002, Anm. d. Red.) haben sie die Arbeiten an der Pipeline gestoppt. Den Wald von Mindo haben sie noch nicht zerstört. Aber in den kommenden Wochen werden sie die Arbeiten wieder aufnehmen, trotz aller Versuche unsererseits, die Umweltzerstörung zu verhindern.

 

Warum sind Sie gegen das Projekt?

HO: Wir sind aus verschiedenen Gründen gegen die Pipeline. Erstens nimmt sie uns in Mindo die Grundlage für den Ökotourismus, den wir hier über Jahre aufgebaut haben und weiterentwickeln wollen. Die Pipeline führt durch ein geschütztes Gebiet, in dem es viele seltene Vogel- und Pflanzenarten gibt, von denen einige vom Aussterben bedroht sind. Das berührt uns besonders, weil Mindo für seinen Ökotourismus bekannt ist. Zweitens bedrohen die Bauarbeiten den Rio Mindo. Er wird stark verschmutzt werden und auch das tubing (Rafting auf LKW-Schläuchen, Anm. d. Red.) ist bedroht, von dem hier viele Leute leben.

 

Was spricht für den Bau der Pipeline?

Alfredo Egas (AE): Der Hauptgrund ist, dass die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen Ekuadors dem ganzen Land zugute kommt. Ich verstehe nicht, warum viele gegen das Projekt sind, denn die Zerstörungen sind viel geringer als gesagt wird. Die Holzfäller zerstören viel mehr Wald als die Pipeline. OCP arbeitet mit neuester Technologie, so dass sich die Fehler früherer Konstruktionen nicht wiederholen werden. Ich bin auch ein Naturfreund und kein Verteidiger einer transnationalen Firma, aber ich möchte das Land voran bringen und gleichzeitig verstehen, warum sich viele Leute gegen ein Projekt stellen, das gar nicht so große Schäden verursacht.

 

Weshalb sind Sie als Naturfreund gegen den Widerstand der Naturschützer?

AE: Was mich an den Umweltaktivisten stört, ist dass sie nur Aktivisten für den Moment sind. Seit fünfzig Jahren werden die Wälder hier durch Holzeinschlag vernichtet, man sieht Holzstapel an jeder Ecke liegen. Auch durch die Viehzucht werden weite Gebiete zerstört und durch einige touristische Anlagen wie z.B. die Hacienda „Mindo Gardens“.

 

Wieso also formieren sich die Umweltfreunde erst jetzt und nicht schon vorher?

HO: Wir sind nicht erst jetzt gegen die Zerstörung des Waldes. Vor rund 15 Jahren hat Mindo einen Wechsel erfahren. Sicher, haben die Leute in Mindo bis dahin von der Jagd und dem Holzeinschlag gelebt und einige tun das auch heute noch, aber seither hat sich viel verändert. Heute leben rund 70 Prozent der Einwohner direkt oder indirekt vom Ökotourimus. Nicht jeder hier hat eine ökologische Einstellung, aber es werden immer mehr. Bei der OCP-Pipeline ist es außerdem zu vielen Fehlplanungen gekommen. Es gab zum Beispiel Konstruktionspläne für eine Strecke, die entlang der schon vorhandenen SOTE-Pipeline verlaufen sollte und die zweimal billiger war. Nach unserer Meinung sind die erforderlichen Umweltverträglichkeitsstudien gar nicht bzw. nicht mit der nötigen Sorgfalt und Zeit durchgeführt worden. Der Ökotourismus ist unsere Lebensbasis, wir müssen das verteidigen, allein schon wegen der kommenden Generationen. Außerdem haben wir so ein Bewusstsein für den Schutz der Umwelt geschaffen, das weit über Mindo hinausgeht. Die Arten, die in unserem Wald leben, müssen gerettet werden. Mit jeder verlorenen Art verschwinden viele weitere.

 

Woher kam der Bewusstseinswandel in Mindo?

HO: Etwa 1986 siedelten sich zwei Deutsche in Mindo an. Sie öffneten einer Gruppe von Leuten die Augen dafür, dass es wichtig ist, den Wald zu erhalten und die Region zu einem Schutzgebiet zu erklären. Und sie weckten das Interesse für die Erhaltung unserer Natur.

 

AE: Was tun Sie denn gegen den sonstigen Raubbau der Natur hier in Mindo? Manchmal habe ich den Eindruck, dass die Umweltschützer nur Geschäfte machen wollen. Warum sind einige der heftigsten Gegner der Pipeline, die vor Monaten jeden Tag in der Presse waren, nun so ruhig und nicht mehr gegen das Projekt? Haben sie Geld von der OCP bekommen?

 

HO: Ein Grund, warum wir so stark gegen die Pipeline kämpfen, ist, dass sie uns auch noch großen Schaden zufügen kann, wenn sie fertig gebaut ist. Sie verläuft durch ein erdbebengefährdetes Gebiet auf Bergrücken mit 300 Meter tiefen Steilhängen. Schon die Bewegung des Erdreiches auf diesen schmalen Graten, um die Röhren zu vergraben, wird das Ökosystem schwer schädigen und der Erosion Tür und Tor öffnen. Und am nahe gelegenen Vulkan Pichincha gibt es im Winter immer wieder starke Hangrutsche. Die Millionen Liter Öl, die durch die Leitung gepumpt werden, stellen also eine ständige Bedrohung für uns und die Umwelt dar. Wir haben die Techniker von OCP, die selten genug hier vorbeikommen, gefragt, wie sie diese Umweltschäden vermeiden bzw. was sie im Falle einer Katastrophe tun wollen. Meistens wussten sie keine Antwort. Sie konnten noch nicht einmal genau sagen, mit welcher Ausrüstung sie die Pipeline hier bauen wollen. Sie haben uns zwar Videos von den Maschinen gezeigt, konnten aber nicht sagen, ob diese auch hier zum Einsatz kommen. Das zeigt doch, dass für den Fall einer Katastrophe nichts geplant ist. Und wenn Öl einmal versickert ist, sind der Urwaldboden und unser Grundwasser kaum noch zu retten.

 

Auch in den Reihen der Umweltschützer gibt es natürlich Leute, die egoistisch sind und letztlich ihre ökonomischen Interessen über die ökologischen gestellt haben. Sie haben Grundstücke nur aus dem Grund gekauft, weil die OCP dafür Summen gezahlt hat, die sie nie im Leben hätten mit Arbeit verdienen können. Aber so wurden auchviele Leute „besiegt“, die anfänglich nicht so gedacht haben.

 

Haben Sie mit Ihren Protesten etwas erreicht?

HO: Eine wichtige Sache, die wir erreicht haben, ist die internationale Aufmerksamkeit. Viele einflussreiche Leute - auch drei Parlamentarier aus Deutschland - waren hier und haben sich über die Probleme informiert. Aber als sie die Baustelle besichtigen wollten, hat OCP sie nicht reingelassen. Wenn alles in Ordnung sein sollte, nach den Regeln der internationalen Banken, warum lassen sie diese Leute nicht rein? Ich glaube, die Arbeiten verlaufen nicht so korrekt, wie OCP immer verkündet. Wir werden weiter gegen das Projekt kämpfen und hoffen, dass die internationalen Proteste und NGOs - wie zum Beispiel Greenpeace - uns helfen werden. Wir wollen zumindest erreichen, dass die Pipeline nicht durch geschützte Waldgebiete verläuft.

 

Ein Argument der Befürworter ist doch, dass die Ekuadorianer das Geld aus der Ölgewinnung brauchen. Wie soll das ohne Pipeline funktionieren?

 

HO: Das Beste, was die Regierung machen könnte, wäre den Ökotourismus zu fördern, anstatt die Ölförderung. Das wäre eine sozioökonomische Alternative und diese Arbeitsplätze blieben auch langfristig erhalten, im Gegensatz zu denen, die für einige Monate durch den Weiterbau entstünden.

 

AE: Gibt es eine Kontrolle des Holzeinschlags?

 

HO: Der Holzeinschlag geht an einigen Stellen weiter. Das liegt aber auch an alten Gesetzen. Wer früher ein Grundstück hier erwarb, hatte die Verpflichtung, es zu bewirtschaften und zu bebauen, sonst wurde es ihm wieder weggenommen. Wir versuchen, diese Leute zu überzeugen, dass das nicht gut ist, und zeigen ihnen Dinge auf ihrem Gebiet, die sie touristisch verwerten können, also zum Beispiel seltene Tier- und Pflanzenarten oder einen schönen Wanderpfad etc. - sozusagen neue ökologische Einkommensquellen. Wo das nicht geht, sollte der Staat Alternativen schaffen. Bisher ist kein Geld von öffentlichen Stellen nach Mindo gelangt, wir haben alles in Eigeninitiative gemacht. Leider ist auch die Umwelterziehung hier nicht besonders gut. Vor Jahren haben wir mit Umweltunterricht in der örtlichen Schule begonnen, aber der jetzige Direktor der Schule ist für die Pipeline.

 

AE: Sie und andere Umweltschützer haben dort, wo die Pipeline verlaufen soll, rund 200 ha Land gekauft. Werden sie auch mit der OCP darüber verhandeln?

 

HO: Die Idee ist, nicht mit der OCP zu verhandeln, sondern den Wald um jeden Preis zu erhalten. Das Geld für den Kaufpreis kam auch von internationalen Organisationen. Der vorherige Besitzer hat übrigens das Land an unsere Gruppe verkauft, obwohl die OCP ihm mehr Geld geboten hat.

 

Bisher haben nur wenige Politiker und andere aus der ekuadorianischen „Elite“ an den Einnahmen aus dem Ölexport verdient. Wieso sollten also die Leute hier für den Bau der Pipeline sein?

 

AE: Das muss sich natürlich ändern. Es ist offensichtlich, dass das Land bisher nur sehr wenig von den Gewinnen aus dem Ölverkauf gesehen hat. Aber was würde passieren, wenn wir das Öl nicht förderten? Müssten dann alle in Spanien arbeiten? Denn zumindest gibt die Ölindustrie einer Menge Menschen direkt und indirekt Arbeit. Dass die Regierung die Gewinne bisher nicht gut verteilt oder angelegt hat, ist klar.

 

HO: Wir wissen, dass die Ölvorräte nur für 15-20 Jahre reichen werden. Was machen wir, wenn wir all unser Öl verkauft haben, anstatt es für unser Land zu nutzen? Welchen Preis müssen wir dann für Öl auf dem Weltmarkt bezahlen? Investitionen in den Ökotourismus wären jetzt viel sinnvoller, das sieht man doch an Costa Rica, wo dieser die Haupteinnahmequelle stellt.

 

Es gibt Leute, die sagen, dass die Vorräte für 100 Jahre reichen.

 

HO: Ok, wir haben schon etwa 30 Jahre der Ölförderung hinter uns. Weder im Amazonasgebiet noch in Esmeraldas hat die Bevölkerung bisher von der Ölförderung profitier. Im Gegenteil. Meistens musste sie eine Verschlechterung ihres Lebensraumes in Kauf nehmen. Diese Zonen gehören nach der offiziellen Statistik zu den ärmsten Ekuadors. Darum ist es egal, ob das Öl zehn, 30 oder 100 Jahre reicht, wichtig ist, dass das Land davon profitiert.

 

Fakten

 

Die West LB befindet sich im Umbau zu einer europäischen Großbank: dazu gehören Finanzierungsprojekte wie zum Beispiel die rund 500 km lange OCP-Pipeline in Ekuador. Rund 900 Millionen US-Dollar investieren sie und andere Banken dort. Von ca. 125.000 Protestbriefen gegen das Projekt, die bei der NRW-Landesregierung eingingen, lässt sich die Bank nicht beeindrucken. Sie muss ihre Unabhängigkeit gegenüber der Politik beweisen, auch gegenüber ihren öffentlichen Eigentümern, wenn sie in Zukunft internationale Investoren gewinnen will. Noch hält das Land NRW 43 Prozent an der West LB. Doch Ministerpräsident Wolfgang Clement äußerte im Gespäch: „Ich finde, wir haben genug getan.“

West LB-Vorstand Andreas Seibert argumentiert, dass seine Bank viele Millionen Dollar „in ein absolut armes Land“ bringe, das vom IWF nichts mehr bekäme. Diese Bemerkung zeugt von der völligen Unkenntnis der Lage vor Ort. Der Großteil der Bevölkerung hat seit 30 Jahren nicht von der Ölförderung profitiert und auch dieses Mal werden die Gewinne zwischen einigen ekuadorianischen Unternehmern und Politikern sowie ausländischen Unternehmen aufgeteilt.

 

Nach Berichten ekuadorianischer Tageszeitungen zahlt OCP 16,8 Millionen US-Dollar Kompensation für den Bau der Pipeline. Damit sollen entlang der Strecke von Nueva Loja bis zum Hafen Esmeraldas Sozialprojekte für die Gemeinden finanziert werden: In Puerto Quito werden zum Beispiel 425.000 USDollar für die Verbesserung der Wasserversorgung gezahlt, in Mindo wird die Restauration des öffentlichen Schwimmbades unterstützt, andere Gemeinden erhalten Krankenwagen, PCs oder neue Schulen. Doch bisher ist nur wenig von der Förderung bei den Menschen angekommen... Ein neues Gesetz legt fest, dass 80 Prozent der Gewinne aus der OCP-Pipeline für den Abbau der Auslandsschulden verwendet werden, 20 Prozent werden in einen Öl-Stabilisierungs-Fonds eingezahlt. Davon soll höchstens die Hälfte für soziale Projekte verwendet werden.