Ein Pokal voller Ehre und Prügeleien

"...nichts ist unmöglich"

von Elmar Wigand

Im Weltpokal trifft der beste Verein Südamerikas auf die Nr.1 aus Europa. Der Spielstand nach nunmehr 41 Jahren ist 21:19. Dabei gab es historische Momente, einige Langeweile und viele Blessuren.

 

Im Weltpokal trifft der beste Verein Südamerikas auf die Nr.1 aus Europa. Der Spielstand nach nunmehr 41 Jahren ist 21:19. Dabei gab es historische Momente, einige Langeweile und viele Blessuren.

 

Der Weltpokal der Vereinsmannschaften - El Mundial de Clubes. Das ist ein großer Name. Im offiziellen FIFA-Englisch heißt er jedoch „The International Toyota Cup“. Die Gewinner der europäischen Champions-League und der südamerikanischen Copa de Los Libertadores treffen aufeinander - die Meister der kontinentalen Vereinswettbewerbe also. Für ein einziges Match, das nicht nur auf neutralem Boden, sondern in Tokio stattfindet - aus Sicht der lokalpatriotischen Clubfans also auf einem anderen Planeten. Und Toyota? Die bezahlen den Spaß.

 

Der Weltpokal hatte seine Blütezeit eigentlich in den 60er Jahren gehabt. Als am 28. November 2000 Real Madrid und Boca Juniors in Tokio aufeinander trafen, blühte er allerdings plötzlich wieder auf. Es sollte mehr werden, als ein denkwürdiges Spiel. Die spanischen und argentinischen Zeitungen lieferten sich bereits Tage zuvor regelrechte Schlagzeilen-Kriege. Das Spiel selbst wurde dann auch zu einem verbissenen Kampf auf Rasen; nach nur 12 Minuten Spielzeit war der Entstand von 2:1 bereits erreicht. Nichts desto trotz sorgte der Sieg in Buenos Aires selbst immerhin für ein zwei Tage währendes allgemeines Volksfest.

 

Europäische Wurzeln und lateinamerikanische Emanzipation

 

Hierum geht es im Weltpokal: die Nachfahren der Emigranten zeigen dem Mutterland, dass man in der Neuen Welt auch Fußball spielen kann - und das sogar besser als in der Alten Welt. Dabei zeigt man den Ländern des europäischen Festlandes, die stets die Talente aus ihren ehemaligen Kolonien in die heimischen Metropolen absaugt, was eine Harke ist - Minderwertigkeitskomplexe und Emanzipationswille treffen auf Arroganz und Geld.

 

Als Bayern München 2001 die erneut antretenden Boca Juniors schlug, war dies für die Deutschen ein lästiger Pflichttermin, der im Bundesliga-Alltag nur störte. Der Trainer Ottmar Hitzfeld bot sämtliche Latinos des Kaders auf, um etwas Feuer in die Bayern-Seele zu bringen. Deutsche - Spieler wie Zuschauer - interessieren sich eben nicht besonders für Argentinien. Umgekehrt gelten die deutschen Fußballer in Argentinien als fade. Dagegen kann man aber am Rio de la Plata die Partien von Real Madrid, FC Barcelona, Inter und AC Mailand tagsüber in unzähligen Kneipen verfolgen. Denn es waren spanische und italienische Auswanderer, die ihre Fußballbegeisterung und Fankultur mit nach Argentinien brachten. Durch den Fußball erhalten sich die Anhänger dieses Sports eine emotionale Bindung zu ihren einstigen Herkunftsländern.

 

Der Glanz der ersten Jahre

 

Der Weltpokal wurde 1960 ins Leben gerufen und begann standesgemäß mit einem Sieg von Real Madrid, das jenen Alfredo di Stefano in seinen Reihen hatte, der alles in seinem Werdegang vereinte: Argentinien, Kolumbien, Italien und Spanien. Damals war von Japan noch keine Rede. 0:0 trennte man sich gegen Peñarol zunächst in Montevideo, und mit 5:1 fertigten die Königlichen die Kicker des ehemaligen Bahnarbeiter-Clubs im Rückspiel in Madrid ab. Doch die Rache folgte auf dem Fuße: im folgenden Jahr besiegte Peñarol im heimischen Centenario-Stadion Benfica Lissabon mit 5:0. Der FC Santos bereitete den Europäern dann 1962 ihr Waterloo. Der nunmehr zweimalige Europapokalgewinner Benfica Lissabon wurde nicht nur in São Paulo mit 3:2 besiegt, sondern auch auf heimischem Terrain vor 72.000 Portugiesen durch ein 2:5 geradezu gedemütigt. Dieses Match vom 11. Oktober 1962 war bereits der große Höhepunkt des jungen Weltpokal-Wettbewerbs. Es handelte sich dabei aber nicht nur um ein Match: auf der symbolischen Ebene war es die Rache der Kolonialisierten, die ins Herz der ehemaligen Unterdrücker gereist waren, um dort zu verheeren. Angeführt wurden sie von einem Magier, der in der 77. Minute mit seinem dritten Treffer das 0:5 schoss: Pélé.

 

Der Abstieg

 

Independiente traf 1964 und 1965 auf Inter Mailand. Ohne Erfolg. In dieser Zeit trug der Weltpokal recht ‘handfeste’ Züge: nie wurde unter Spielern so viel geprügelt wie in den 60er Jahren im Weltpokal. Man schlug sich - und das ist keine Übertreibung - die Zähne aus und die Augen blau. Die Polizei musste regelmäßig einschreiten. Wohlgemerkt: nicht gegen die Fans, die jedoch gerne ihr Scherflein zum Exzess beitrugen, sondern gegen die Spieler. Das Inter-Team kam zwar aus Argentinien stets lädiert zurück wie von einem Boxkampf, aber es hatte gegen Independiente gewonnen. Die brutale Gangart der Porteños gegenüber den Milanesen ist wohl darauf zurückzuführen, dass 1963 der FC Santos in Mailand vom AC Mailand verdroschen worden war. Die Mannen aus São Paulo hatten sich jedoch trotzdem durchgesetzt - was man von Independiente nicht behaupten konnte. 1972 und 1974 verloren die Rot-Weiß-Gestreiften ebenfalls - und die Europäer verloren die Lust am Prügeln.

 

Statt des Europapokalgewinners reiste mitunter der Zweitplatzierte nach Südamerika. Ajax Amsterdam schickte 1971 Panathinaikos Athen vor und 1973 Juventus Turin. Bayern München ließ 1974 den Verlierern von Atlético Madrid den Vortritt. Als 1975 wieder Independiente an der Reihe war - zum vierten Mal in Folge, quasi am Vorabend des Militärputsches - fand sich niemand mehr, der dort antreten wollte.

 

Über das Jahr, in dem der Weltpokal den absoluten Tiefpunkt erreicht hat, lässt sich streiten. Liegt er etwa im Jahre 1979, als Nottingham Forest keine Lust hatte, in die Anden zu fahren und die Partie stattdessen zwischen Olimpia Asuncion und Malmö FF ausgetragen wurde? Nein. Aber wahrscheinlich gibt es nichts Überflüssigeres, als in Tokio ein Spiel auszutragen zwischen Roter Stern Belgrad und Colo Colo Santiago - so geschehen im Jahre 1991.

 

Über die Zukunft des Weltpokals wird man sich dennoch Gedanken machen müssen. Das haben auch, so ließ es Franz Beckenbauer bereits durchblicken, die Fußballfunktionäre erkannt. Tokio kann nicht die Lösung sein; eine Streichung des Weltpokals dagegen auch nicht. Denn: zwischen Latein-Amerika und „Latein-Europa“ gibt es noch einige Hühnchen zu rupfen…