Gonzalo Rubalcaba

Die Supernova unter den Jazzpianisten

Der Kubaner Gonzalo Rubalcaba (*1963) gilt seit einigen Jahren als einer der weltbesten Jazzpianisten. Herbie Hancock adelte ihn 1998 mit den Worten „Das ist der Klang des 21. Jahrhunderts“. Im Jahr 2001 war Rubalcaba mit vier verschiedenen Projekten auf allen wichtigen Bühnen der Welt zu sehen und war auf zwei sehr unterschiedlichen CDs zu hören. Torsten Eßer und Hans-Jürgen von Osterhausen sprachen für Matices mit dem Pianisten nach seinem Duo-Auftritt mit Chick Corea im Oktober 2001 in Frankfurt.

 

Matices: Ihre internationale Karriere begann unter anderem mit Dizzy Gillespie und Charlie Haden. Wie haben Sie sie kennen gelernt?

 

Rubalcaba: Dizzys Musik kannte ich schon von LPs und Cassetten, die ich als Jugendlicher gehört hatte. Als er 1985 zum Jazzfestival nach Havanna kam, hatte ich Gelegenheit, sehr eng mit ihm zusammenzuarbeiten. Er war sich sehr der Wichtigkeit der kubanischen Musik für den Jazz bewusst, übrigens schon seit den 40er Jahren. Für mich war das eine tolle Chance. Mit Charlie, den ich auch in Havanna kennenlernte, habe ich verschiedene Platten eingespielt. So auch meine letzte Platte Nocturne. Sie ist sehr wichtig für mich, denn mit ihr hatte ich die Gelegenheit, den Zuhörern kubanische Musik von einer lyrischeren und traditionelleren Seite zu präsentieren und gleichzeitig die große Chance, diese Tradition auszuweiten, mit so tollen Musikern wie Joe Lovano, Pat Metheny und David Sanchez.

 

Sie leben nun schon länger in den USA. Hat das Ihre Musik beeinflusst, verändert?

 

In einem anderen Land zu leben bedeutet nicht nur Einflüsse von dort aufzunehmen, sondern auch die Chance zu haben, sein Land aus der Ferne zu betrachten. Als ich noch in Kuba war, befand ich mich sehr nah an der traditionellen Musik. Danzón, Cha Cha Chá, Son usw. und auch Yoruba-Musik. So hatte ich keine Chance, diese Musik von außen zu betrachten, denn Du bist mittendrin und arbeitest dauernd mit allen Musikern zusammen. Du bemerkst die Werte der Musik kaum noch und erst recht nicht die Fehler, die Du und auch andere machen. Von außen sieht man, wo man etwas verändern oder verbessern kann und was man besser nicht mehr macht. Das ist meine wichtigste Erfahrung der letzten Jahre, dass ich die Möglichkeit habe von weit weg zu sehen, was mit der kubanischen Musik passiert, was meine Generation dort macht, wie junge Leute über Musik denken.

 

Chucho Valdés und Bobby Carcassés sagen, dass sie den Kontakt zu ihren musikalischen Wurzeln verlieren würden, wenn sie die Insel für längere Zeit verließen. Darum lebten sie immer noch dort. Ist das wahr?

 

Eine von vielen Wahrheiten. Jeder hat seine eigene Wahrheit, seine eigenen Gründe. Ich habe meinen eigenen Weg gefunden, um mit Kuba immer in Kontakt zu bleiben. Diese Beziehung werde ich nie verlieren. Es ist etwas, das ich in mir trage. Es wird mich verlassen, wenn ich es gehen lasse. Sicher, manchmal verliere ich den Anschluss zum Beispiel an die Fortentwicklung der Sprache. Die Kubaner nutzen immer neue Wörter, um sich zu unterhalten. Aber das ist sehr schnell aufgeholt und auch unbedeutend.

 

Warum haben Sie Kuba verlassen? Gab es politische, ökonomische Gründe oder war der Musikmarkt zu klein für eine internationale Karriere?

 

Ich könnte viele Gründe nennen, politische, ökonomische oder ideologische. Aber wichtiger als irgendein einzelner Grund ist mein Schicksal.

 

Ich hätte Kuba in jedem Fall verlassen. Das konnte ich gar nicht beeinflussen. Vielleicht gehe ich in fünf, zehn oder 15 Jahren nach Kuba zurück, aber das weiß ich nicht und das hat auch nichts mit Politik zu tun. Selbst wenn das politische System dort sich morgen ändern würde, hieße das nicht, dass ich zurückginge. Ich könnte genauso gut nach Europa ziehen.

 

Warum haben Sie sich Miami als Wohnsitz ausgesucht, obwohl es dort früher starke Proteste gegen Ihre Konzerte gegeben hat?

 

Das ist deren Problem. Ich kann mir aussuchen wo ich wohnen möchte, das sind schließlich die USA, nicht Kuba. Um genau zu sein, lebe ich aber nicht mitten in Miami, sondern ungefähr eine Stunde nördlich. Unglücklicherweise hat ein Teil der kubanischen Gemeinde eine sehr begrenzte Sichtweise der Dinge, aber das sind nur wenige in den USA. Ich bin viel durch die USA gereist und habe überall sehr liebenswürdige, offene und intelligente Kubaner getroffen. Wir haben uns Miami wegen unserer drei Kinder ausgesucht. Ich hätte auch nach New York gehen können, aber für meine Kinder fand ich das nicht gut. So stellte ich die professionellen Gesichtspunkte beiseite und entschied als Familienvater. Auch das Wetter war ein wichtiger Aspekt. Außerdem ist Miami ein guter Startpunkt für Reisen überall hin.

 

Es gibt große musikalische Kontraste in Ihren CDs der letzten Jahre. Erst war es mehr Latin Jazz, dann improvisierter Jazz und nun wieder eine Rückkehr zu den kubanischen Wurzeln. Wechseln Sie immer nach einer bestimmten Zeit die Richtung oder ergibt sich das zufällig?

 

Ich kann nicht lange Zeit das selbe machen. Wenn ich bemerke, dass etwas Neues meinen Weg kreuzt, folge ich ihm. Das hält mich wach und beweglich. Das ist die Mission, die ich habe: mich vorwärts und Dinge in der Musik zu bewegen. Ich versuche nicht, eine weitere Brücke zwischen Jazz und kubanischer Musik zu schlagen. Das ist schon vor vielen Jahren passiert. Das haben in New York zuerst Chano Pozo, Dizzy Gillespie, Tito Puente und viele andere gemacht, später dann in Kuba Peruchin, Frank Emilio, Emiliano Salvador sowie Bebo und Chucho Valdés. Ich muss einen anderen Weg finden, um diese Vorarbeit auszuweiten. Für mich ist es langweilig, nur zu wiederholen, was sie geleistet haben.

 

Das Album ‚Supernova’ ist voll von neuen Ideen. Das erste Stück - ‚Supernova 1’ - hat einen hohen technischen und emotionalen Standard, es ist sehr abstrakt. ‚El Manisero’ interpretieren Sie hingegen sehr intim. Diese CD zeigt eine ungeheure Breite Ihres Könnens.

 

Manchmal rücken die Leute meine Spieltechnik zu sehr in den Vordergrund. ‚Supernova 1’ klingt technisch kompliziert, weil ich versucht habe, die Vision eines Orchesters auf das Trio zu übertragen. Ich musste einen großen Teil dieses Orchesterklangs mit dem Piano erzeugen, den Rest der Bass und das Schlagzeug. Mit einer Big-Band-Besetzung wäre das Stück sehr einfach zu spielen gewesen, ich hätte die Spannung auf die Trompeten, Saxophone usw. verteilen können. Aber im Trio musste die gesamte musikalische Information und Energie auf nur drei Leute verdichtet werden. Die Idee war aber nicht, jemanden mit meiner Spieltechnik zu beeindrucken, sondern den orchestralen Klang mit dem Trio zu erzeugen. Letztlich hatte ich selbst das größte Problem, meine Komposition zu spielen.

 

‚El Manisero’ ist ein sehr bekanntes kubanisches Lied. Nahezu jeder kubanische (Jazz)Musiker nimmt dieses Stück einmal in seinem Leben auf. Warum?

 

Es ist eine Hymne in Kuba. Auch in Deutschland gibt es bestimmt so ein Volkslied, das jeder kennt. Dieses Stück ist so bekannt wie ‚La Guantanamera’. Ich hatte nicht geplant, das Stück auf ‚Supernova’ zu spielen, das kam spontan. Aber seit vielen Jahren beschäftige ich mich mit verschiedenen traditionellen Stücken kubanischer Musik. Ich bemerkte, wieviele verschiedene Arten es gab, diese Stücke zu spielen. Das macht den Wert dieser Musik aus, dass sie einem immer neue Möglichkeiten lässt, mit ihr zu arbeiten.

 

Woher kommt der Titel ‚Supernova’?

 

Titel sind für mich immer sehr schwierig zu finden. Manchmal habe ich ein Stück seit zwei, drei Monaten fertig komponiert und suche immer noch nach einem passenden Titel, der die Musik wirklich repräsentiert. Aber in diesem Fall war es Kenneth Blaydow, mein Manager, der diesen Titel zuerst genannt hat. Supernova bezeichnet etwas, das schon ewig existiert. Dieser Name verkörpert für mich all die Musik, die ich früher geschrieben habe, und die es mir erst möglich gemacht hat, diese neuen Stücke zu komponieren.

 

Wie kam es dazu, dass Sie und Chick Corea gemeinsam Konzerte geben?

 

Chick und ich haben schon einmal vor zehn Jahren zusammen gespielt, in Japan. Kennen gelernt hatten wir uns auf dem Münchener Klaviersommer zwei Monate zuvor und dort auch die Idee zu dem Konzert in Japan gehabt. Seither standen wir immer in Kontakt. Unsere Konzerte sind vom gegenseitigen Respekt geprägt. Wir schaffen Raum für uns beide und hören uns gegenseitig zu. Wäre das nicht der Fall, könnten wir nicht gemeinsam auftreten. 

 

Zufall und/oder Schicksal

 

Trotzdem brauchte Marques ein Schlüsselereignis, um mit seiner Kunst an die Öffentlichkeit zu gehen: „Als ich einige Bilder zusammen hatte und mit einem Künstler darüber sprach, machte er mir Mut, eine eigene Ausstellung zu machen. Diese erste Ausstellung brachte den Stein ins Rollen. Daraufhin habe ich mich auch für andere Ausstellungen beworben.“ Von Kunst nur um der Kunst willen hält er nicht viel, sieht er sich doch als Künstler einer bestimmten Funktion unterworfen. „Natürlich möchte ich dem Publikum mit meiner Kunst etwas bestimmtes sagen.

 

Ich beschäftige mich mit Menschen. Viele beschäftigen sich mit Natur, indem sie Natur malen. Bei mir steht das im Mittelpunkt, was die Menschen bewegt.“

 

Die Aktualität der Kunst und die Zukunft

 

Selbst aktuelle Ereignisse wirken in seinen Arbeiten nach und verursachen detaillierte Reaktionen von Seiten des Publikums. „In letzter Zeit sind viele Bekannte auf mich zugekommen und sagen mir, sie seien gespannt, wie ich als Künstler auf den Terrorakt reagiere. Eine meiner Skulpturen, das „Kosovokind“, löst bei dem Publikum stets sehr interessante Reaktionen aus. Es hat wohl zu sehr mit Realität zu tun, als dass es unbeachtet bleiben könnte. Und genau das will ich als Künstler.“ Jetzt ist Ernesto Marques´ Beitrag auf regionalen Ausstellungen seit über zwei Jahren so erfolgreich gewesen, dass er sich getrost weiter herauslehnen möchte. „In 2002 werde ich in Berlin, Hamburg und München ausstellen. Geplant sind auch Ausstellungen im Ausland, zum Beispiel in Luxemburg, Barcelona und Lissabon. Mein eigentliches Ziel aber habe ich fast erreicht. Seit 1998 versuche ich, von der Kunst zu leben. Das ist wohl der Traum jedes Künstlers, und es ist heutzutage sehr schwer. Ich stelle mir in näherer Zukunft größere Projekte vor.“ Die Passivität der in Deutschland lebenden portugiesischen Mitbürger gegenüber der eigentlich sehr erfolgreichen und kreativen Kunstszene seines Heimatlandes lässt ihn noch mehr für portugiesische Kunst eintreten: „Auch wenn Portugal eher für Architektur bekannt ist, gibt es dort viele namhafte Künstler, welche den Portugiesen hier in Deutschland kaum bekannt sind. Auf der ArtCologne ist Portugal immerhin mit mindestens drei Galeristen vertreten!“ Ernesto Marques hat sich zu einem aufstrebenden Künstler entwickelt, dessen Name weit über Jülich hinaus klingt.