Peru

Essen im Land des kulinarischen Multikulti

zuberitet von Thilo Klein

Das Thema 'Essen und Trinken' ist in Peru für die Alltagskonversation so wichtig wie bei den Briten das Wetter. Ein typischer small talk zwischen Peruanern beinhaltet zwangsläufig eine ritualhafte Passage, in der der eine dem anderen aufzählt, was er wo letzte Woche gegessen hat, worauf der andere nach einem ekstatischen "ĦAy, qué rico!" ("Nein, wie lecker") seine eigenen Erfahrungen zum Besten gibt. Das ist kaum verwunderlich: Perus Küche bietet reichlich Gesprächsstoff, denn sie ist zweifellos eine der vielfältigsten der Welt.

 

Das beginnt mit den Zutaten. Perus Geographie beheimatet 84 der 115 auf der Welt existierenden Mikroklimata, und somit gibt es wohl kaum eine Frucht oder ein Gemüse, das nicht irgendwo im Land optimale Anbaubedingungen fände. Die gängigen in Europa erhältlichen Sorten stellen nur einen Bruchteil des Angebotes auf peruanischen Märkten dar. Allein die Kartoffel, eines von vielen peruanischen Eigengewächsen (wer kennt sie nicht, die Geschichte vom Alten Fritz und den Knollen aus der Neuen Welt?) kommt in über 4000 Varianten vor. Peru ist aber nicht nur ein Vegetarierparadies, sondern bietet auch für Fleischesser, insbesondere aber für Fischliebhaber eine reiche Auswahl: Dank des kalten Humboldtstromes tummeln sich in den peruanischen Küstengewässern, die zu den fischreichsten der Erde gehören, 700 verschiedene Fischspezies und 400 Arten Krusten- und Schalentiere.

 

Von einem derart reichhaltigen Angebot an Lebensmitteln ließen sich bereits die Inkas und deren Vorfahren zu interessanten gastronomischen Experimenten inspirieren. Zur Küche der peruanischen Ureinwohner gaben dann die spanischen Kolonialherren (deren Gerichte ihrerseits von den Arabern und damit indirekt von den Persern beeinflußt waren) ihren Senf dazu, bis es nach der Unabhängigkeit die verschiedenen Einwanderergemeinden waren, die aus einer mestizischen eine Multikultiküche machten: Italienische, chinesische, arabische und japanische Immigranten brachten Ideen und Ingredienzen aus ihren gastronomischen Hochkulturen mit und sorgten dafür, daß Lima heute Kennern als kulinarische Metropole Amerikas gilt - und das schließt die Vereinigten Staaten und Kanada ausdrücklich mit ein.

 

Ihre Offenheit gegenüber kulinarischen Einflüssen aus anderen Weltgegenden und ihre Fähigkeit, diese zu adaptieren und in ihre eigene Eßkultur zu integrieren, haben die Peruaner inzwischen auch auf das Junkfood angewendet. Nach den saftigen und aus richtigem Fleisch bestehenden Hamburgern der peruanischen Schnellrestaurantkette Bembos sind McDonalds und Burger King nur zweite Wahl; und Peru ist eines von ganz wenigen Ländern der Erde, in denen eine einheimische Limonade - die zitronengelbe Inca Kola - einen größeren Marktanteil besitzt als die allseits bekannte braune Brause aus Atlanta / Georgia.

 

La Entrada: Tiradito de Lenguado y Pulpo

 

Wenn es so etwas wie ein peruanisches Nationalgericht gibt, dann ist es wohl der Cebiche, und das nicht nur ob seiner allgemeinen Beliebtheit. Zum einen besteht er aus typisch peruanischen Produkten von landesweiter Verbreitung und Anwendung: Kleine Stücke Fisch oder Meeresfrüchte (alles, was aus Meer, Fluß oder See kommt, eignet sich für Cebiche) werden kurz in einer auf Zitronensaft basierenden Marinade eingelegt, mit Ají Limo - einer sehr scharfen, roten Chilischote, die in kaum einem peruanischen Gericht fehlen darf - gewürzt und mit einem Stück Süßkartoffel und Maiskolben serviert (letztere Zutaten erlauben es dem Esser, die Schärfe des Ají auszugleichen). Zum anderen ist das Gericht ein Spiegel der peruanischen Geschichte: es hat seine Ursprünge in den präinkaischen Kulturen der nordperuanischen Küste und hat Verfeinerungen durch die Spanier und die späteren Einwanderergruppen erfahren. Der Tiradito gilt als kleiner Bruder des Cebiche. Vermutlich von japanischstämmigen Köchen beeinflußt, wird der Fisch nicht in fingerdicke Würfel, sondern nach Art des Sashimi in dünne Streifen geschnitten, weshalb er nur sehr kurz in Zitrone eingelegt werden muß.

 

Das Rezept

 

Die Seezunge filetieren und aus Kopf und Gräten einen Fond bereiten, durch ein Sieb geben und abkühlen lassen. Den Fisch in ca. 5 cm lange und 4 mm dicke Streifen und den vorher gekochten Tintenfisch in dünne Scheiben schneiden und auf 4 Tellern anrichten. 

 

Den Sellerie und den Koriander feinhacken und in ein tiefes Gefäß geben; den Zitronensaft, in feine Ringe geschnittenen Ají, den gepreßten Knoblauch hinzugeben und mit Salz und Pfeffer abschmecken. Mit einem Schneebesen umrühren, damit die Zutaten ihren Saft abgeben. Zehn Minuten ruhen lassen, dann Fischfond hinzufügen. Der Fond reduziert die Säure der Zitrone, man gibt so lange Fond hinzu, bis der gewünschte Grad erreicht ist. Die Marinade durch ein Sieb geben, dabei das Gemüse gut ausdrücken. Über die Seezunge und den Tintenfisch geben und sofort verzehren.

 

El Segundo: Arroz con Pato

 

Reis mit Ente - dieses Gericht erfüllt im Norden Perus, wo die Küche besonders stark spanisch beeinflußt ist, dieselbe Funktion wie in Deutschland der Sonntagsbraten. Es ist ein recht aufwendiges Gericht, und man muß sich für seine Zubereitung schon runde vier Stunden Zeit nehmen. Die in Brust- und Schenkelstücke geteilte Ente wird mit Salz, Pfeffer, Kümmel, dem Saft und der geriebenen Schale der Orangen sowie gepreßtem Knoblauch 15 Minuten lang mariniert. Anschließend in einem Bräter eine halbe Tasse Olivenöl erhitzen und die Entenstücke goldbraun anbraten. Dann die Marinade und ein Glas trockenen Weißwein hinzugeben. Auf kleiner Flamme zweieinhalb Stunden schmoren lassen; bei Bedarf Flüssigkeit angießen. Danach etwas abkühlen lassen und die Entenstücke vorsichtig entbeinen. Die Knochen in den Bräter zurückgeben, Fleischfond und ein Glas Weißwein angießen und zum Kochen bringen. In einer Pfanne eine halbe Tasse Olivenöl erhitzen und zwei Esslöffel gehackten Knoblauch darin bräunen. Im Mörser verarbeiteten Koriander (6 Zweige zurückbehalten) und gelben Ají sowie eine grob kleingeschnittene rote Paprika hinzufügen. Schmoren lassen, bis die Flüssigkeit verdampft ist. Dann den Bräter vom Feuer nehmen, den Fond durch ein Sieb gießen, überschüssiges Fett abschöpfen und zusammen mit einem Glas dunklem Bier (Alt wäre denkbar, der Kölner bevorzugt Bockbier oder eine der gängigen irischen Marken) und dem Entenfleisch dem geschmorten Gemüse hinzufügen. 10 Minuten kochen lassen. Das Fleisch mit etwas Soße entnehmen und warmhalten. Die restliche Soße in einen großen Topf gießen und den Reis hinzufügen. Die Flüssigkeit muß zwei Zentimeter über dem Reis stehen. Wenn die Flüssigkeit völlig verkocht ist, die Flamme auf kleinste Stufe stellen und den Reis zu Ende garen. Das Entenfleisch in Scheiben schneiden und zusammen mit dem Reis auf Tellern anrichten. Gekochte Erbsen, gebratene Paprikastücke und gehackten restlichen Koriander darüberstreuen.

 

El postre: Tocinito del Cielo

 

Zweifellos arabischen Ursprungs sind die 'Himmels-schinkelchen'. In einem dickwandigen Topf eine Tasse Zucker (mit Wassser angefeuchtet), ein Stück Zimtstange und 6 Gewürznelken kochen lassen, bis ein dünnflüssiger Sirup entsteht. Diesen durch ein Sieb geben, erneut erhitzen und unter starkem Umrühren das vorher bereits leicht geschlagene Eigelb hinzufügen. 

 

Eine Tasse Zucker und den Saft einer Zitrone in einen Topf geben, mit Wasser bedecken und kochen, bis goldbraunes Karamel entsteht. Mit dem Karamel die Wände kleiner Backformen bestreichen. Die Eigelb-Sirupmasse in die Backformen füllen und im Wasserbad im Ofen bei 180 Grad backen, bis sie stockt. Abkühlen lassen, stürzen und die Törtchen nach Belieben garnieren.

 

 

Tiradito de Lenguado y Pulpo (für 4 Personen)

  • 300 g frische Seezunge
  • 300 g Tintenfisch
  • 100 g Sellerie
  • 8 Zweige Koriander
  • Saft von 10 bis 12 grünen Zitronen (ca. 120 ml)*
  • ½ Ají Limo (sorgfältig gewaschen und von Samen befreit; ersatzweise kann man eine Chilischote nehmen)
  • Salz, Pfeffer

 

* Die peruanischen Zitronen (gelbgrün, rund und etwas kleiner als Limetten) haben eine besonders starke Säure, weshalb sie für die Marinade besonders gut geeignet sind. Meines Wissens sind sie in Deutschland nicht erhältlich und dürften durch die dort handelsüblichen Zitronen nur schlecht ersetzbar sein.

 

Arroz con Pato (für eine mittlere Großfamilie)

  • 1 Ente (ca. 3 kg)
  • 2 Orangen
  • 50 g Knoblauch
  • ½ Esslöffel gemahlener Pfeffer
  • ½ Esslöffel gemahlener Kümmel
  • 2 Glas Weißwein
  • 1 rote Paprika
  • 1 Tasse Olivenöl
  • 1 Bund frischen Koriander
  • 4 gelbe ajís (die gelben Chilischoten sind weniger scharf als die roten und schwer ersetzbar; am ehesten könnte man eine zweite Paprika verwenden)
  • 1 Tasse geschälte Erbsen
  • 2 Tassen Fleischfond
  • 1 Glas dunkles Bier
  • ¾ kg Reis

 

Tocinitos del Cielo (für 6 Personen)

  • 12 Eigelb
  • 2 Tassen Zucker
  • 1 Zitrone
  • 1 Stück Zimtstange
  • 6 Gewürznelken