Vive Allende

Dokumente einer Ära von nur 3 Jahren

von Marc Benner

Pünktlich zum Prozeß gegen den greisen General Pinochet erscheint im Berliner Aufbau-Verlag die deutsche Ausgabe der ersten Bildbiographie über Salvador Allende. Klar gegliedert erzählt sie das Werden des Politikers Allende ab ovo; das beeindruckend umfangreiche und, so beklagen die Autoren glaubhaft, unter massiven Schwierigkeiten aus vielerlei Quellen zusammengestellte Fotomaterial illustriert seine Herkunft aus einer der alteingesessenen Politikerdynastien Chiles, seine erste Karriere in der Medizin, die Wendung zum Berufspolitiker, sein wiederholtes Werben um die Präsidentschaft bis zum Wahlsieg 1970. Die Biographie dokumentiert in Wort und Bild den Kraftakt der neuen Regierung, die Strukturen des Landes grundlegend umzuwandeln und schließlich den Niedergang: das Aufweichen des Regierungsbündnisses, das Zerbrechen der ökonomischen Stabilität, die zunehmende Weltfremdheit eines letztlich auf Idealismus gebauten politischen Programms, das Werben um Unterstützung im Ausland und schließlich das Versinken Chiles im gesellschaftlichen Chaos. Am Schluß stehen die Erschöpfung und persönliche Enttäuschung Salvador Allendes und schließlich (unheilvoll vom übrigen Layout abgesetzt) der Putsch der Militärs und der Beginn des dunkelsten Zeitalters in der chilenischen Geschichte.

 

Mittels zahlreicher Originalzitate und Anekdoten bietet die Biographie ein minutiöses und zudem der Person Allendes verpflichtetes Bild der entstehenden und vergehenden politischen Kultur der chilenischen Bevölkerung und markiert die historischen Koordinaten der bis in die Aktualität reichenden gesellschaftlichen Spaltung Chiles. Zugleich formt sie ein plastisches Bild der vielfältigen Abhängigkeiten des Landes von seinen Nachbarn, Freunden und Feinden ein Vierteljahrhundert vor unserer Zeit.

 

Lediglich eine ärgerliche formale Kleinigkeit ist, daß Fotos und Begleittexte streckenweise asynchron zum Essaytext laufen. Schwerer hingegen wiegt, daß dieser Text bedauerlicherweise viel zu oft an schwärmerischen Plappereien und eher verstörenden Volkstümeleien der ansonsten reichlich renommierten Autorin Alejandra Rojas krankt. Wirklich zur Mühe aber wird die Lektüre erst durch die (vermutlich der Übersetzung zuzuschreibende) unfertig wirkende Schwerfälligkeit und angestrengte Bildhaftigkeit der Formulierung. In jedem Fall aber empfiehlt sich diese Bildbiographie schon wegen des dokumentarischen Werts des in ihr angesammelten Materials.

 

Fernando Diego García/Oscar Sola (Hg.): Allende. Das Ende einer Ära. Aus dem chilenischen Spanisch von Angelika Bussas. Mit ca. 250 Fotos. Berlin, Aufbau Verlag, 1998. 224 Seiten. 49,90 DM.