«Este cíclope, no sicilïano»

Die groteske Gestalt 'Góngora' in der satirischen Dichtung Quevedos

von Frank Savelsberg

Auch wenn in der Forschungsliteratur die Kontroverse zwischen Quevedo und Góngora durchgängig Erwähnung findet, sind kritische Analysen der einzelnen Gedichte eher selten. Dies mag zum Teil daran liegen, daß diese sich in hohem Maße skatologischer Motive und fäkalsprachlicher Ausdrücke bedienen und daß, wie Juan Goytisolo behauptet, "[...] los críticos y estudiosos de la obra de Quevedo acostumbran a esquivar con un mohín de disgusto la obsesión escatológica del escritor o la despachan con unas breves frases condescientes, cuando no francamente condenatorias[...]”1.

 

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Contra D. Luis de Góngora y su poesía

SONETO

Este cíclope, no sicilïano, 1

del microcosmo sí, orbe postrero;

esta antipoda faz, cuyo hemisfero

zona divide en término italiano;

este círculo vivo en todo plano; 5

este que siendo solamente cero,

le multiplica y parte por entero

todo buen abaquista veneciano;

el minoculo sí, mas ciego vulto;

el resquicio barbado de melenas; 10

esta cima del vicio y del insulto;

éste, en quien hoy los pedos son sirenas,

éste es el culo, en Góngora y en culto,

que un bujarrón le conociera apenas.

 

Obwohl die skatologischen Gedichte Quevedos nicht zu den kanonischen zählen, genossen diese Art von Lyrik und das Bild des obszönen Quevedo seinerzeit und auch heutzutage eine große Popularität, besonders in Bevölkerungsschichten, die wohl weder Quevedo gelesen hatten noch überhaupt lesen konnten. Goytisolo illustriert dieses Phänomen anhand einer Anekdote aus seiner Kindheit: "Al concluir la guerra civil, la sirvienta que se hizo cargo de mí y mis hermanos y nos cuidó con el amor y la solicitud de una madre, solía referirnos la historia de un tal Quevedo que, habiéndose bajado las calzas para defecar en un lugar público, de espaldas a los viandantes, fue sorprendido en dicha posición por un distinguido caballero italiano. '¡Oh, qué vedo!', habría exclamado éste con horror al contemplar el corpus delicti, si se me permite la expresión, con las nalgas en la masa. A lo que habría respondido el español con mal oculto orgullo: 'Anda, ¡hasta por el culo me conocen!'” (P. 117).

 

Die Ketzereien 'Góngoras'

 

Was die Thematik der Polemiken gegen Góngora betrifft, so ist der eigentliche Vorwurf, den Quevedo gegen Góngora erhebt, der des schlechten Dichters, und die Ketzerei, der Quevedo 'Góngora' für schuldig befindet, die der Abweichung vom traditionellen und Hinwendung zum kulteranistischen Stil. In dieses eigentliche Hauptargument gehen alle anderen Motivkreise der Polemiken auf und dienen diesem als Folie. Das Bild der Häresien der ideologisch-moralischen Verirrungen 'Góngoras' in Abweichung von der katholischen Rechtgläubigkeit und in der Todsünde der Sodomie ist nur eine Metapher für dessen ästhetisches Sektierertum. Erst die Analogie zum literarischen Traditionsbruch und Sektierertum bringt 'Góngora' in Verbindung mit dem Kryptojudaismus und mit der Gruppe der conversos, deren Verurteilung und strafrechtliche Verfolgung bereits einen reichhaltigen Diskurs hatten. Die Transposition dieses Diskurses in einen literaturkritischen funktioniert, indem Sprach- und Stilfragen ideologisiert und politisiert werden. Im Umkehrschluß wird der verwirrte und dunkle Stil Góngoras zum Indiz für die moralische und religiöse Verfehlung und Zurückgebliebenheit im alttestamentarischen Glauben der Gestalt 'Góngora' in den Texten Quevedos. Nicht nur dem kulteranistischen Stil in Góngoras Lyrik sondern auch dieser Figur 'Góngora', in dem diese Lyrik allegorisiert wird, wird der Prozeß gemacht und der grotesken Verzerrung ausgeliefert. Dies wird in den Plot eines inquisitorischen Todesurteils gebettet.

 

'Góngoras' Vergehen sind "de fuego”(Nr. 827, v. 19s)2. Wie die verurteilten Häretiker auf dem Weg zum Scheiterhaufen, so solle - wenn auch nur als Zeichen der Buße - auch 'Góngora' ein Schild mit seiner Ketzerei um den Hals tragen (Nr. 828, vv. 109-116).

 

Diese Argumentationsstruktur, welcher sich Quevedo als Traditionalist gegen den neuen Stil Góngoras bedient, indem er das Neue als Häresie diffamiert und der strafrechtlichen Ahndung für würdig hält, ist keine Erfindung Quevedos. Schon in der Kontroverse zwischen Traditionalisten und Petrarkisten zu Anfang des 16. Jahrhunderts taucht diese sowie das Inquisitionsmotiv auf:

 

Pues la sancta Inquisición

suele ser tan diligente

en castigar con razón

cualquier secta y opinión

levantada nuevamente,

resucítese Lucero,

a corregir en España

una tan nueva y extraña

como aquella de Lutero

en las partes de Alemaña.

Bien se pueden castigar

a cuenta de anabaptistas

pues por ley particular

se tornan a baptizar

y se llaman petrarquistas.

 

Hier meint der Traditionalist Castellejo im speziellen die petrarkistische Schule Garcilaso de la Vegas. Doch sagt er auch explizit, daß die Inquisition gegen jedwede Neuerung vorgehen sollte.

 

Die Abkehr vom rechten Glauben

 

Der Häresiediskurs gegen 'Góngora' wird, wie bereits erwähnt, auf zwei Ebenen geführt, die einer dritten, der literaturkritischen als Folie dienen. Als erster soll hier dem Vorwurf der Abkehr vom rechten Glauben nachgegangen werden. Der Beweis für 'Góngoras' jüdische Herkunft und Religionszugehörigkeit wird vorrangig erst einmal über die äußere Erscheinung geführt:

 

En lo sucio que has cantado

y en lo largo de narices,

demás de que tú lo dices,

que no eres limpio has mostrado. [Nr. 827, vv. 1-4]

 

"No limpio” (v. 4) wird hier zu zwei anderen Begriffen in Bezug gesetzt: zum einen zu der angeblichen Schmutzigkeit (v. 1) der Gedichte Góngoras, zum anderen im ideologischen Kontext, wenn man "no limpio” als no limpio de sangre (= no cristiano viejo) versteht, zum Attribut der Langnäsigkeit, das ein Stereotyp der Judendarstellung sowohl in der bildenden Kunst als auch in der Literatur ist. Das Nasenmotiv läßt sich noch an weiteren Stellen finden, z.B. im Sonett Nr. 829 (vv. 9-11):

 

¿Por qué censuras tú la lengua griega

siendo sólo rabí de la judía,

cosa que tu nariz aun no niega?

 

Wenn man die Litotes in Vers 11 auflöst, ist gerade die Langnäsigkeit 'Góngoras' ein Indiz für dessen jüdische Herkunft. Die Antithese zu "lengua griega” (v. 9) ist zur Verstärkung dieser Aussage verschoben: Anstelle des korrekten Gegensatzes lengua hebrea wird der elliptische Ausdruck "la judía” (v. 10) gewählt, so daß neben einem reinen Sprachdisput die Herkunftsdebatte mitgeführt wird.

 

Die sexuelle Abweichung

 

Ähnlich durchgängig wird in den Polemiken Quevedos gegen Góngora Homosexualität thematisiert, was ebenso wie der Abstammungsdiskurs in einen Häresiediskurs mündet. Quevedos Attacken sind übervoll von Synonyma für das männliche Glied und Anspielungen auf den Anus und den Analverkehr.

In der Romance Nr. 828 heißt es in den Versen 17 bis 20:

 

Poeta de bujarrones

y sirena de los rabos,

pues son de ojos de culo

todas tus obras o rasgos;

 

Es wird hier nicht explizit gesagt, daß der Dichter selbst homosexuell ist (aber in Nr. 838, v. 14). Er ist aber Dichter der Schwulen (v. 17) und Sirene der Schwänze (v. 18). An dieser Stelle ist das Werkzeug des Dichters sein Arschloch, an anderer Stelle (Nr. 826, v. 41 u. 44) ist es sein Schwanz:

 

Vuestros conceptos alabo[...]

pues los hacéis por el rabo.

 

Nicht nur in Quevedos Polemiken gegen Góngora ist Homosexualität ein Thema. In der Sektion der satirischen Gedichte Quevedos lassen sich auch einige Epitaphe auf Schwule finden (Nr. 635-637). Als Kondensat der Bearbeitung dieses Themas sei hier das Epigramm, mit dem das Epitaph Nr. 637 schließt und das eine Parodie auf die lateinische Totenliturgie ist, angeführt: "«Requiescat in culo, mas no in pace.»”(Nr. 637, v. 30). Inwieweit das Thema der Homosexualität auch für das lyrische Ich in Quevedos satirischer Dichtung Relevanz hat, zeigt sich in den folgenden Versen (Nr. 775, vv. 43-46):

 

En viéndome, dicen «Oxte»;

empero no dicen «Puto»:

que aunque me tengo bien,

jamás he dado de culo.

 

Hier wird es nun offensichtlich, daß bei der Nennung von Arsch und Schwanz neben der Ausscheidungsfunktion von Fäkalien auch der Analverkehr mitgedacht werden muß. Wenn in Nr. 827 "que mi culpa es cosa de aire,/pero la tuya de fuego” steht, ist der Grund, weshalb 'Góngora' auf den Scheiterhaufen gehört, nicht nur die Ketzerei, die in der Abweichung vom rechten Glauben besteht, sondern auch die Todsünde der Sodomie.

 

Die grotesk-skatologische Motivik

 

Neben diesen thematischen Diskursen ist das Eigentliche, was in den Polemiken Quevedos gegen Góngora vorherrscht, das grotesk-skatologische Bildmaterial. Der Ausgangspunkt dieses Motivkreises ist eine andere, für diesen spezifische Körperkonzeption. Diese zeichnet sich nach Bachtin dadurch aus, daß "[d]ie Grenzen zwischen Körper und Welt und zwischen verschiedenen Körpern [...] in der Groteske völlig anders als in klassischen oder naturalistischen Motiven [verlaufen].”3 In der Groteske "[...] ist alles interessant, was hervorspringt, vom Körper absteht, alle Auswüchse und Verzweigungen, alles, was über die Körpergrenzen hinausstrebt und den Körper mit anderen Körpern oder der Außenwelt verbindet.”(P. 358) Der groteske Körper trägt keine Attribute von Individualität. Da der groteske Stil sich vor allem durch seine Übertreibungen, Hyperboliken, Schilderungen des Übermaßes und der Überfülle definiert (P. 345), können diese körperlichen Ausstülpungen als geeignete Angriffspunkte für die Übersteigerung und Zerrung in den animalischen oder gegenständlichen Bereich gesehen werden. Zu diesen Körperausstülpungen gehören bei Quevedo die im Vorangegangenen bereits erwähnten Körperteile Nase und Penis. Neben den körperlichen Ausstülpungen sind für die groteske Darstellung auch die Körperöffnungen von Bedeutung. Wie die Ausstülpungen stellen auch die Öffnungen einen Übergang von Köper und Welt dar. Der Essens- und Verdauungsprozeß läßt Außeres Inneres werden und umgekehrt, die Vereinigung zweier Körper im Geschlechtsakt macht die Grenzen des Einzelkörpers unscharf bis zum völligen Verschwinden.

 

Auch in Quevedos satirischer Dichtung nehmen diese Orte des Körperdramas, wie Bachtin sie nennt, eine zentrale Rolle ein. Zu den häufigsten Ausdrücken innerhalb des grotesk-skatologischen Motivkreises bei Quevedo gehören die Exkrementsynonyme "caca”, "cagadas” und "mierda”. Diese Exkremente sind Metaphern für die Werke und den Stil Góngoras (Nr. 826, v. 9s):

 

descubierto habéis la caca

con las cacas que cantáis.

 

So nimmt es auch kaum wunder, wenn schon die "cacas” das Gesungene/Gedichtete Góngoras ist, daß 'Góngora' diese Exkremente nicht anal defäkiert sondern oral (Nr. 840, vv. 14-17):

 

Hombre en quien la limpieza fue tan poca

(no tocando a su cepa),

que nunca, que yo sepa,

se le cayó la mierda de la boca.

 

An anderer Stelle wird noch deutlicher, daß bei der grotesken Gestalt 'Góngora' der Mund die Aufgabe des Afters übernimmt und so beide gleichgesetzt sind (Nr. 828, vv. 145-148):

 

Dícenme tienes por lengua

una tripa entre los labios,

viendo que hablas con ella

ventosedad todo el año.

 

Hier liegt also eine Verkehrung der Aufgaben vor; der Mund wird zum Ausscheidungsorgan, die Zunge zum Gedärm. Und auch bei der Verdauung lassen sich zumindest Störungen beobachten (Nr. 826, v. 5s, 81-84):

 

Cólica dicen tenéis,

pues por la boca purgáis.

Yo, por mí, no pongo duda

en que las coplas pasadas,

según están de cagadas,

las hicisteis con ayuda.

 

Góngoras Verse sind nicht einmal Erzeugnisse eines normalen Verdauungsprozesses, sondern entweder Ergebnisse einer mit Abführmittel behobenen Verstopfung oder Winde, Blähungen, Fürze.

 

«Este cíclope, no sicilïano»

 

Da das groteske Inventar in Quevedos satirischer Dichtung so vielseitig ist und eine Kategorisierung, wie sie im Vorrausgegangenen versucht wurde, immer Gefahr laufen muß, Nuancen und Idiosynkrasien zu übergehen oder zu stark zu vereinfachen, soll hier nun noch ein Blick auf ein Sonett in seiner Gesamtheit geworfen werden. Quevedo bezieht sich in "Este cíclope, no sicilïano” gleich im ersten Vers explizit auf die Fábula de Polifemo y Galatea Góngoras. Der Zyklop Polyphem hat im antiken Mythos seinen Wohnsitz auf Sizilien. Doch hier ist ein nicht sizilianischer Zyklop gemeint, nämlich 'Góngora'. Die Sagengestalt des Polyphem ist in diesem Sonett nur von sehr untergeordneter Bedeutung. Der Zyklop wird hier lediglich dazu verwandt, einen intertextuellen Bezug zu Góngoras Fábula und damit auch zur Person Góngoras herzustellen und das Zentralmotiv der Einäugigkeit, in dem sich alle anderen verwandten Bilder treffen, einzuführen. Das Thema wird auch gleich im ersten Vers angegeben: Die durch das Trema angezeigte Diärese bei "sicilïano” läßt das Wort "ano” hervortreten, das im folgenden ein gesamtes Wortfeld eröffnet ("orbe postrero” = hinterer Weltkreis v. 2, "antípoda faz” = gegenpoliges Gesicht v. 3, "círculo vivo” v. 5, "cero” v. 6, "minoculo” v. 9, "vulto ciego” v. 9, "pedos” v. 12 und "culo” v. 13). "Sicilïano” am Ende des Verses und mit Trema ist auch eine direkte Übernahme aus der vierten Strophe der Fábula Góngoras.

 

Gesäß und Gesicht sind im ganzen Sonett identisch, einmal werden dem einen typische Attribute des jeweils anderen zugesprochen und vice versa. Dieses Verwechslungsspiel beginnt bereits bei der Bezeichnung 'Góngoras' als Zyklop. Das, was einen Zyklopen definiert, ist vor allem seine Einäugigkeit. Aber durch die spanische Bezeichnung ojete oder ojo de(l) culo für Arschloch kommt auch dem Gesäß in metaphorischer Bedeutung das Attribut der Einäugigkeit zu. Das Gesäß ist eine "antípoda faz” (v. 3) und unterscheidet sich vom einäugigen Gesicht des Zyklopen lediglich darin, daß sein "Auge” blind ist ("ciego vulto”, v. 9). Im Vers 10 ist die Identifikation von Gesäß und Gesicht dann fast perfekt: Zwei Bilder werden gleichzeitig assoziiert, zum einen das langbärtige Gesicht, mit dem Polyphem sowohl in der Fábula als auch in den Metamorphosen Ovids charakterisiert wird, zum anderen die behaarte Spalte des Gesäßes, da "barbado” streng genommen nur zum Gesicht und "resquicio” nur zum Gesäß paßt.

 

Am konzentriertesten liegt diese gleichzeitige Evozierung von zwei Bildern in der Minimalparodie "minoculo” (v. 9) vor. "Minoculo” kann in zwei Weisen gelesen werden: Auf der einen Seite ist "minoculo” (Winzarsch) in den Zusammenhang mit den Wortneuschöpfungen Quevedos zu stellen. Aus minus und culo wird "minoculo”. Diese Deutung bestätigt sich auch in der Nennung von "cero” (v. 6). Das Gesäß hat die Form einer Null. Die Null als Zahlwert gesehen gehört allerdings auch in den Kleinheitsbereich, den minus in "minoculo” widergibt. Auf der anderen Seite liegt in "minoculo” die kleinste Form einer parodistischen Transformation vor. Denn ein anderer Begriff, der ebenfalls vollkommen in den Motivkreis der Einäugigkeit paßt, ist durch Änderung eines einzigen Buchstabens aus "minoculo” ableitbar. Daß in diesem Zusammenhang bei "minoculo” monóculo (gr. monos 'allein, einzig' und lat. oculum 'Auge') konnotiert wird, ist auch deshalb nicht zufällig, weil monóculo metrisch im Grunde genommen besser in das Sonett passen würde. Die ersten Verse der beiden Quartette beinhalten jeweils eine palabra esdrújula ("cíclope” v. 1, "círculo” v. 5). Dies allein würde schon die esdrújula "monóculo" nahelegen. Hinzu kommt aber noch, daß diese beiden Verse mit der metrischen Form betont-unbetont-betont-unbetont-unbetont beginnen. Und bei der Lesart "el m[o]n[ó]culo” würde diese rhythmische Gestalt beibehalten. Durch die Parodie "minoculo” wird man gleichsam aus dem Rhythmus geworfen.

 

Aber auch in diesem Sonett ist die Einführung des Hintern-Motivs mit dem Thema der Homosexualität verbunden. Die Gesäßspalte wird in Vers 11 explizit nicht nur dem Bereich der Beleidigung ("insulto”) zugeordnet, sondern ebenfalls dem Laster ("vicio”). Der Hintern als "antípoda faz” wird durch dessen Spalte ("hemisfero” v. 3) "en término italiano” geteilt. Dieser Vers wird durch die Verse 7 und 8 gestützt, wo der "círculo vivo” (v. 7) auch gänzlich geteilt wird. Dieses Teilen der Gesäßspalte ist mit Gewißheit eine Umschreibung der Analpenetration, was die Ausdrücke "en término italiano” und "todo buen abaquista veneciano” (v. 8) bestätigen. Laut Profeti sollen zu jener Zeit die Italiener für Repräsentanten der Sodomie gehalten worden sein. Diese These belegt auch eines der epitafios contra sodomitas, das an einen Italiener gerichtet ist (Nr. 635).

Das zweite Terzett führt nochmals in den Bereich der Verdauung und Ausscheidung sowie der Identifikation des Afters mit dem Mund. Was der Dichter mittels dieser Werkzeuge im Akt des Körperdramas schafft, erfährt man dort: Der bezirzende Gesang der Sirenen sind bei 'Góngora' Fürze, doch dessen Werkzeug, sein Arsch, ist so klein und unbedeutend, daß nicht einmal ein Schwuler ihm Beachtung schenken würde.

 

1 Juan Goytisolo, 1977. "Quevedo: La obsesión excremental.” In: id. Disidencias. Barcelona, p. 118.

2 Die Numerierung erfolgt nach Francisco de Quevedo, 19903. Poesía original completa. J.M. Blecua [ed.]. Barcelona. 'Góngora' in einfacher Anführung bezeichnet nicht den historischen Menschen sondern die groteske Gestalt bzw. Figur in Quevedos Polemiken. 

3 Michail M. Bachtin, 1995 [1965]. Rabelais und seine Welt. Volkskultur als Gegenkultur. Frankfurt a.M., p. 357.