Hoffnung auf die dritte Generation

Ein Gespräch über Schreiben - Publizieren - Lesen in Portugal mit Teo Ferrer de Mesquita

Wenn sich Teo Ferrer de Mesquita am Schreibtisch seines kleinen Buchladens in der Frankfurter Heiligenkreuzgasse zurücklehnt, kann er auf über zwanzig Jahre Kulturarbeit zurückblicken. Aus politischen Gründen aus Portugal emigriert, nutzte Mesquita das seit 1974 erwachende Portugalinteresse in Deutschland, um portugiesische Kultur hierzulande bekannter zu machen. Nach seiner Mitarbeit an der Filmproduktion Viva Portugal!, die die Ereignisse der Nelkenrevolution im Anschluß an den 25.4.1974 dokumentierte, organisierte er Lesungen portugiesischsprachiger Autoren, leitete Filmreihen und initiierte zahlreiche Festivals mit Musikern aus Portugal (u.a. in der Alten Oper Frankfurt). Seine Idee eines 'lusophonen Zentrums' realisierte er schließlich 1980 mit der Eröffnung der bislang einzigen, ausschließlich auf portugiesischsprachige Literatur und Musik spezialisierten Buchhandlung in Deutschland. 1982 gründete er den Verlag TFM, der sich auf Literatur zu und aus der lusophonen Welt spezialisiert hat. Georg Michel und Gunnar Nilsson sprachen mit Mesquita über Buchmarkt, Bildungspolitik und Lesegewohnheiten in Portugal.

 

MATIZES: Bücher, und allem voran Belletristik, sind in Portugal verhältnismäßig teuer. Wenn auch die Preise verlegerisch zu rechtfertigen sind - man muß sicherlich mit niedrigeren Auflagen kalkulieren -, so bleibt doch die Frage, wer sich überhaupt in Portugal Literatur leisten kann. Schließlich verfügen die Portugiesen über ein bekanntlich wesentlich niedrigeres Durchschnittseinkommen als z.B. die Deutschen. Ist Literatur in Portugal nur etwas für eine Elite oder haben die Portugiesen ein ganz anderes Verhältnis zur Literatur als hierzulande?

 

FERRER DE MESQUITA: In Portugal wird wenig gelesen. Das stimmt! Aber, ob das nur daran liegt, daß die Bücher teuer sind, weiß ich nicht. Nach meiner Überzeugung sind die Gründe anderer Natur: Die Lektüre wird einfach nicht genug gefördert. Die Bücher sind zweifellos so teuer, weil die Auflagen vergleichsweise klein sind. Erstauflagen belletristischer Bücher übersteigen selten 3.000 Exemplare. Saramago oder Lobo Antunes sind mit 50.000er Erstauflagen eine seltene Ausnahme. Daß die Leute aber so wenig lesen, ist eine Folge von fünfzig Jahren faschistischer Diktatur, die systematisch von Obskurantismus geprägt war. Ich glaube, daß man mehr als bisher in den Schulen und in der Bildung unternehmen muß, um das zu überwinden - ganz besonders in der Erwachsenenbildung. Warum sage ich Erwachsenenbildung? Erwachsenenbildung, weil es z.B. bis vor knapp acht Jahren nur sechs Jahre Schulpflicht gab. Nach sechs Jahren Schule entwickeln die Leute einfach keinerlei Beziehung zur Literatur und zum Buch. Für diese Generationen muß man etwas tun.

Bei den jüngeren Generationen wird es zukünftig anders sein. Heute gibt es neun Jahre Schulpflicht. Für das Abitur geht man mittlerweile dreizehn Jahre - anstatt früher elf - zur Schule.

 

MATIZES: Unter der Diktatur war Volksbildung nie ein ernsthaftes Thema. Aber mittlerwile sind über zwanzig Jahre vergangen. Warum ist Analphabetismus immernoch ein Problem in Portugal?

 

FERRER DE MESQUITA: Das liegt daran, daß es Ortschaften in Portugal gibt, wo das Schulsystem noch nicht so funktioniert, wie man es gerne hätte. Ein Beispiel: In einigen Dörfern des Alentejo ist die Abwanderung in die Städte sehr groß. Weil es keine Arbeitsplätze gibt, leben dort nur ältere Leute. Aber oft sind die im ganzen Land nach Arbeit suchenden Eltern gezwungen, ihre Kinder bei den Großeltern zurückzulassen. Diese Kinder haben nun sehr große Schwierigkeiten. In den Ortschaften wurden die Schulen geschlossen, weil nicht genügend Kinder mehr da waren. Die wenigen verbliebenen Kinder müssen dann zwanzig oder mehr Kilometer weit zur nächsten Schule fahren. Und das ist das Problem. Die Ausbildung dieser Kinder leidet zwangsläufig unter dieser Situation.

 

MATIZES: Man spricht noch immer von einer blühenden Volkskultur in Portugal. Im Bereich der Musik läßt sich das gut nachvollziehen. Aber gibt es noch soetwas wie eine 'funktionierende' Oralliteratur oder hat hier die Mediengesellschaft schon das Übrige getan?

 

FERRER DE MESQUITA: Im Zeitalter von Radio und Fernsehen werden die Oraltraditionen natürlich immer weniger kultiviert. Trotzdem gibt es noch ländliche Regionen, wo die alten Bräuche gepflegt werden. So muß ich immer wieder über die Lebendigkeit der sogenannten Descarnada auf Volksfesten und Familienfeiern wundern. Das ist ein Stehgreifgesang, bei dem abwechselnd je ein Sänger eine Strophe singt - quasi ein Sängerwettstreit. Wie gesagt, die Texte sind nicht auswendig gelernt, sondern werden frei improvisiert. Es geht um die unterschiedlichsten Themen, sei es Fußball, Politik oder etwas Privates. Ich habe beim Zuhören wiederholt festgestellt, daß Analphabeten wirklich 'dichten' können, daß Leute, die nicht schreiben können, durchaus zu dichterischen Leistungen fähig sind. 

Bedauerlicherweise gibt es davon keine Aufzeichnungen - Schallplatten oder CDs - und auch kaum Literatur. Zum Glück findet sich hin und wieder jemand, der eine Sammlung der Texte erstellt, sonst wären sie für immer verloren.

 

MATIZES: Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Leseverhalten der in Deutschland ansässigen Portugiesen gemacht? Liest man mehr in der Fremde?

 

FERRER DE MESQUITA : Ich glaube nicht! Leute, die von Anfang an keine Beziehung zum Buch hatten, werden sie auch später nicht haben. Was man sagen kann ist, daß die Frauen mehr lesen als die Männer, und das gilt nicht nur für Kochrezepte und Drei-Groschen-Romane. Die Männer sind einfach träger. Die beschäftigen sich hauptsächlich mit Fernsehen und mit Fußballzeitschriften. Meine Hoffnung ist allerdings die sogenannte 'dritte Generation'. Ich meine die Enkelkinder derjenigen Portugiesen, die ehemals nach Deutschland gekommen sind. Nicht die zweite Generation! Das ist die 'verlorene Generation'. Sie stehen - so bedauerlich das zu sagen ist - noch schlechter da als die Alten. Während die Alten 'echte' Analphabeten waren, sind diese Leute Analphabeten in zwei Sprachen. Sie können weder richtig Portugiesisch noch Deutsch. Meine Hoffnung ist also die dritte Generation, diejenige Generation, die schon hier geboren ist, die nicht ständig zwischen zwei Ländern pendelt, die hier tatsächlich zuhause ist. Diese Kinder, das merkt man deutlich, lesen wirklich. In der Schule lesen sie natürlich zunächst deutsche Bücher. Aber später werden sie sich auch der portugiesischen Literatur zuwenden, auch wenn sie dies oftmals nur mittels deutscher Übersetzungen tun. Aber dies ist ja schon ein Fortschritt. Während die alte Generation zumindest wußte, wer Eça de Queirós oder Júlio Dinis war, muß sich diese jüngere Generation all dies ja erst aneignen. Und dann müßte man natürlich das Angebot an weiterführenden Portugiesisch-Sprachkursen hierzulande ausbauen ...

 

MATIZES: Wäre nicht auch hier wieder der portugiesische Staat gefordert? Müßte man nicht angesichts der Situation daran denken, soetwas wie ein Instituto Camões einzurichten?

 

FERRER DE MESQUITA: Ja, da wäre der portugiesische Staat gefordert! Anders geht es wohl nicht. Man sollte wirklich so schnell wie möglich ein Instituto Camões einrichten, das nicht nur für den akademischen Bereich zuständig ist, sondern sich auch um die Fortbildung kümmert. Zudem müßte man die zahlreichen portugiesischen Emigranten-Vereine hier in der Bundesrepublik in eine aktive Kulturarbeit einbinden. Man könnte z.B. mit 'animadores culturais' arbeiten, die in den Vereinen das Kulturbewußtsein fördern. Allerdings beieinträchtigt der Fernsehkanal RRTPI das portugiesische Vereinsleben hierzulande. Diesen portugiesischen Sender kann man überall per Satelitenschüssel empfangen. Fakt ist, daß die Leute es zunehmend vorziehen, sich zuhause das Programm anzusehen, anstatt wie früher zum Verein zu gehen. Abgesehen davon gerät durch den undosierten Fernsehkonsum auch das Lesen ins Hintertreffen.

 

MATIZES: Nochmal zurück zum Problem der Volksildung: Müßten sich neben dem Staat nicht auch die kulturellen Eliten in Portugal mehr engagieren? Die Gulbenkian-Stiftung wäre da doch Vorbild genug!

 

FERRER DE MESQUITA: Ich bin, was die Privatinitiative angeht, gar nicht so pessimistisch. Ich nenne da nur als Beispiel das Verlagswesen. Trotz aller Klagen, kann mir keiner erzählen, daß es dem Verlagswesen schlecht geht. Es gibt so viele kleine Verlage - so viele Verlage wie seit dem 25. April 1974 hat es Portugal nie gegeben - die, falls es wirklich eine schwere Krise gäbe, nicht weiterbestehen könnten: Cotovia, Loja de Agua ... Sie alle machen aus Portugal eine wirklich interessante und vielfältige Verlagslandschaft. Dadurch hat die portugiesische Jugend einen Zugang zum universellen Wissen, der dem anderer europäischer Länder kaum nachsteht. 

Ein weiteres Beispiel ist das Bibliothekswesen. Obwohl es nach wie vor regionale Unterschiede gibt, hat die Regierung gerade im traditionell vernachlässigten Alentejo viele öffentliche Bibliotheken eingerichtet. Das ist ein Plus. In sehr vielen dieser Bibliotheken wird zudem mit den neuen Inforamtionsverarbeitungstechnologien gearbeitet. Sicher, das Geld stammt zum Teil aus EU-Töpfen. Aber auch das Geld für Ostdeutschland stammt aus EU-Töpfen und dort herrscht immernoch Resignation. In Portugal ist das ganz anders. Man setzt sehr viel Hoffnung in die junge Generation und ist bereit in sie zu investieren. Wenn man sich Beispielsweise die Qualität von Kinder- und Jugendbüchern und von Lehrbüchern in Portugal ansieht, wird man bemerken, daß sie sich durchaus mit deutschen Standards messen läßt.

 

MATIZES: Abgesehen von der Klassiker-Reihe 'Livros de Bolso' beim Verlag Europa-América gibt es keine Taschenbücher in Portugal. Woran liegt das?

 

FERRER DE MESQUITA: Der Versuch, Taschenbücher einzuführen, ist vor einiger Zeit vom Verlag Dom Quixote unternommen worden. Er ist allerdings gescheitert, weil man keine rentable Auflagenhöhe erreichte. Eine Taschenbuchreihe ist nur erfolgreich, wenn man über 8.000 Stück drucken und verkaufen kann. Das ist in Portugal nur sehr schwer zu erreichen.

 

MATIZES: Die portugiesische Literatur ist abgesehen von zwei Namen - Saramago und Lobo Antunes - in Deutschland nahezu unbekannt. Dies ganz im Gegensatz zur brasilianischen Literatur! Woran liegt das? Am Marketing der Verlage, an der Suche der Deutschen nach Exotismus oder an etwas anderem?

 

FERRER DE MESQUITA: Sicher ist die portugiesische Literatur dem 'großen' Publikum hierzulande kaum bekannt. Die brasilianische Literatur ist da ein bischen besser dran. Man hat ein wenig früher angefangen, die brasilianische Literatur zu übersetzen. Das mag am Exotismus liegen. Die Themen der portugiesischen Literatur sind vielleicht der deutschen ein wenig näher als die der brasilianischen Literatur und von daher weniger interessant. Ein Jorge Amado mit seinem ganzen tropischen Ambiente erscheint doch außergewöhnlicher als ein Portugiese, der eine eher europäische Thematik behandelt. Aber auch hier sollte man bedenken, daß Portugal 50 Jahre lang in Isolation gelebt hat. Die baut sich nicht so ganz schnell wieder ab. Aber das ändert sich langsam. Das Interesse wächst.

Im übrigen sollte man die Bundesrepublik nicht als Maßstab für Rezeption portugiesischer Literatur im Ausland heranziehen. Maßstab, wenn überhaupt, ist Frankreich. Denn wenn ein Buch erst einmal in Frankreich übersetzt worden ist, dann kommt es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit später auch auf deutsch heraus. Die bundesrepublikanischen Verlage vor der Wiedervereinigung haben sich in diesem Punkt wirklich keine Lorbeeren verdient. Man hat sehr wenig für die portugiesische und auch für die brasilianische Literatur getan, obwohl man in einem der reichsten Länder der Welt saß. Meist war diejenige Literatur, die es bis 1989 in deutscher Sprache gab, zuerst in der DDR übersetzt und herausgegeben worden. Die Rechte haben dann später westdeutsche Verlage auf billigem Wege aufgekauft. Es waren nur kleine Retuschen nötig - so wurde z.B. Saramagos Memorial in der DDR als Das Kloster von Mafra und in der Bundesrepublik als Das Memorial übersetzt - , um eine kostengünstige Ausgabe herauszubringen. Insgesamt stammen noch heute kaum mehr als 1% der übersetzten Literatur in Deutschland aus dem portugiesischsprachigen Ausland.

 

MATIZES: Wer sind denn hierzulande die Leser dieser Literatur? Beschränkt sich der Kreis auf einige wenige 'Apaixonados' oder sind es mehr? Und wie hat sich das Interesse in den letzten Jahren entwickelt?

 

FERRER DE MESQUITA: Sagen wir es so: Der Kreis der 'Apaixonados' wird immer größer. Das gilt für die portugiesische Literatur wie für die brasilianische. Heute ist es so, daß immer mehr Leute nach der Lektüre eines ersten Buches von Ruben Fonseca, Saramago oder Lobo Antunes so fasziniert sind, daß sie gespannt auf Erscheinen eines weiteren Romans warten. Die Faszination kommt also aus den Büchern selbst heraus. Ich hoffe, daß sich dies auch auf das Interesse an portugiesischsprachiger Literatur generell auswirkt.

 

MATIZES: In gesellschaftlicher und politischer Hinsicht bedeutete das Jahr 1974 für Portugal einen Wendepunkt. In literarischer Hinsicht, so das Urteil von einigen Kritikern, ist es anders gewesen. Ähnlich wie im Nachbarland Spanien erwartete man mit dem Umbruch das Erscheinen jener 'großen Werke in der Schublade', die vorher aus Gründen der Zensur nicht veröffentlicht werden konnten. Diese 'Erneuerung' fand gar nicht oder zumindest mit Verzögerung statt ...

 

FERRER DE MESQUITA: Gut! Ich glaube, es ist nicht so wichtig, ob die Bücher in der berühmten 'Schublade' waren oder im Kopf der Autoren. Auf jeden Fall sind nach dem 25. April viele Bücher entstanden, die aufgrund ihrer Thematik vorher nie an das Publikum gelangen konnten. Eines darf man nicht vergessen: Die Schriftsteller unter der Diktatur waren zwar nicht alle regierungskonform, aber sie haben in einer codierten Sprache geschrieben. Das gilt übrigens auch für die Sänger. Man sehe sich nur an, wie z.B. José Afonso seine Lieder verpackt hat. Wenn man nun lange Zeit in einer codierten Sprache schreibt, kann man nicht von heute auf morgen eine neue Sprache entwickeln. Die Ideen, denke ich, waren schon im Kopf, nur hatte man die Manuskripte nicht unmittelbar für die Veröffentlichung fertiggestellt. Schließlich war man kein Wahrsager und konnte die Revolution am 25. April 1974 nicht voraussehen. In der Musik ging es etwas schneller. Hier stellte man sich schneller um. Bei der Literatur hat es etwas länger gedauert. Dies liegt nicht zuletzt auch an den Verlagen. Dort mußte man die Leute, die jahrelang lektoriert haben, wechseln, es mußten neue Verlage entstehen usw..

Bei aller Kritik sollte auch nicht unbeachtet bleiben, daß es die Schriftsteller und Sänger waren, die sich der Vergangenheitsbewältigung in Bereichen angenommen haben, über die es bis heute keine befriedigende nationale Debatte gibt. Ich nenne hier nur den Kolonialkrieg. Bis heute gibt es, nach meinem Eindruck, keine wirklich ernsthafte öffentliche Diskussion über dieses Kapitel unserer jüngsten Geschichte.

 

MATIZES: Was Literatur aus weiblicher Feder betrifft, könnte man doch durchaus von einer Revolution sprechen. Nie gab es in Portugal soviele Schriftstellerinnen wie heute!

 

FERRER DE MESQUITA: Ja, das hat Gründe. Einmal haben die Frauen sehr viel von dem 25. April profitiert. Vorher war Portugal eine sehr archaische Gesellschaft, heute ist Portugal eine moderne Gesellschaft. Zum anderen waren es trotz Bevormundung durch Kirche und Diktatur die Frauen, die während des Kolonialkrieges die bessere Ausbildung genossen. Die Männer mußten zwecks Militärdienst ihre Ausbildung ab- oder unterbrechen. Das Minimum für den Militärdienst waren vier Jahre. Um ein Beispiel zu nennen: Der Bildungsdurchschnitt der Führungsköpfe der 'Bewegung der Streitkräfte' am 25.April war Abitur oder ein bis zwei Jahre Studium. Die Frauen dagegen konnten weiterstudieren und erreichten so ein höheres Bildungsniveau.

 

MATIZES: Portugals Einbindung in die Europäische Union ist zweifellos auch in kultureller Hinsicht nicht unproblematisch. Die Festung Europa ist zumindest dem offiziellen Portugal näher als die restliche lusophone Welt. Andererseits gibt es Bemühungen, wie die Gründung der CPLP (Gemeinschaft Portugiesischsprachiger Länder) zeigt, kulturelle Bindungen der portugiesischsprachigen Länder zu festigen.

 

FERRER DE MESQUITA: Die Gründung der CPLP ist sehr wichtig. Sie ist ein Meilenstein für die kulturelle Identität und Bindung der portugiesischsprachigen Länder. Es wäre wünschenswert, daß die kulturelle Weiterentwicklung Portugals sich in zwei Richtungen bewegt, sowohl nach Europa als auch in Richtung auf die portugiesischsprachigen Länder. Ich hoffe, daß die offiziellen Verlautbarungen diesbezüglich nicht eine 'letra morta', ein leeres Wort, bleiben. In Portugal versucht man zeitweise zwanghaft zu zeigen, daß man zu Europa gehört. Das mag an den 50 Jahren Abschottung liegen und manifestiert sich z.B. bei dem schon fast uneigeschränkten 'Mitmachen' bei allen europäischen Initiativen. Währungsunion? - Wir machen mit!, Eurokennzeichen? - Wir machen mit! usw. Ich hoffe, daß man bei diesem 'Mitmachen' in Europa nicht seine kulturellen Bindungen mit den portugiesischsprachigen Ländern vergißt. Glücklicherweise gibt es auch genügend positive Anzeichen dafür. So verlegt man z.B. die Bücher afrikanischer Literatur in Portugal und das Publikum liest diese Literatur auch.

 

MATIZES: Kürzlich hörte man von dem zusammengehen eines portugiesischen Verlags mit einer großen spanischen Verlagsgruppe. Sind das Zeichen eines kulturell ausgeglichenen Verhältnisses zwischen Nachbarländern oder stehen dahinter rein marktstrategische Überlegungen? Welches Verhältnis haben Portugiesen und Spanier auf kultureller Ebene?

 

FERRER DE MESQUITA: Ich habe festgestellt, daß sich Spanier immer mehr für Portugal interessieren und andersherum. Das gilt natürlich schon für die Zeit vor der Vereinigung der beiden Verlage. Der Verlag Dom Quixote hat z.B. schon seit langem eine Reihe 'Spanische Autoren' im Programm und Saramago selbst ist ein Markstein für die positive Entwicklung der kulturellen Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Er lebt in Spanien und ist mit einer Spanierin verheiratet. Wenn man aufmerksam beobachtet, findet man überall Anzeichen gegenseitigen Interesses. Die Spanier sind beispielsweise gerade dabei, Fernando Pessoa wiederzuentdecken. Es gibt zur Zeit eine sehr große und schöne Austellung über Pessoa in Barcelona. Das bedeutet, daß man sich dort sehr für portugiesische Literatur interessiert. Ähnliches Interesse findet man auch in Portugal. Was die Verlage betrifft, so ist in Portugal wie überall eine allgemeine Tendenz zur Konzentration zu bemerken. Verlage schließen sich national oder international zusammen oder werden aufgekauft. Die Konkurrenz ist einfach sehr groß.

 

MATIZES: Es gibt nur eine handvoll belletristischer Verlage in Portugal: ASA, Dom Quixote, Caminho etc. aber einen ganzen Haufen Schulbuchverlage, obwohl es von letzteren zur Zeit der Diktatur nur einen gab. Wie konnte es zu einer derart unterschiedlichen Entwicklung kommen.

 

FERRER DE MESQUITA: Gerade im Schulbuchbereich hat Portugal nicht nur sehr viele Verlage, sondern auch sehr gute. Die Schulbücher in Portugal sind wirklich sehr gut gemacht, werden didaktisch sehr gut aufbereitet. Das haben mir auch immer wieder Kollegen aus Deutschland bestätigt. Die große Auswahl kann den Kindern und Jugendlichen nur zugute kommen. Leider versucht man von Regierungsseite in letzter Zeit, die Schulbücher an europäische Standards anzupassen. Wie ich schon sagte, ist man in diesen Dingen etwas übereifrig.