¡Viva la velolución! - Das Fahrrad als Politikum

Ausgabe 91: ¡Viva la velolución! - Das Fahrrad als Politikum
Ausgabe 91: ¡Viva la velolución! - Das Fahrrad als Politikum

Das Fahrrad, wie wir es heute kennen, wird in diesem Jahr 200 Jahre alt: Das erste lenkbare Fahrrad, die vom Mannheimer Karl Drais entwickelte “Laufmaschine” war 13km/h schnell und wog knapp über 20kg - als Alternative zum Pferd eine Revolution. Mittlerweile gibt es Fahrräder, die nur noch wenige Kilo wiegen und die Rekordgeschwindigkeit (im Windschatten) liegt seit 1995 bei 268km/h. Das Fahrrad hat eine beeindruckende Geschichte hinter sich, und bisher scheint es nicht, als sei die Entwicklung des Drahtesels und seiner Nutzung an einem Ende angekommen.

 

Die Idee, sich auf Rädern aus eigener Muskelkraft fortzubewegen, lässt Menschen auch heute noch kreativ werden. Minimalistische Fixed-Gear-Räder, voll ausgestattete Elektroräder oder aerodynamische Lastenräder sind nur einige Beispiele für Entwicklungen aus den letzten Jahren. Aber das Fahrrad ist nicht einfach nur ein vielfältiges Fortbewegungsmittel. Gerade mit Blick auf aktuelle Debatten um Umweltschutz, eine soziale Infrastruktur und das Recht auf Stadt zeigt sich, dass sich an der Frage, wer sich wie fortbewegt, hitzige Debatten und politische Kampagnen entzünden können.

 In vielen Großstädten Lateinamerikas ist die Gestaltung der urbanen Infrastruktur und Mobilität ein hoch relevantes Thema. Es geht dabei in Bezug auf das Fahrrad einerseits um die Rolle von nicht-motorisierten Teilnehmern am oft überlasteten Verkehrsnetz. Andererseits zeigt sich am Beispiel Fahrrad auch, welche gesellschaftlichen Fragen außerdem diskutiert werden (müssen): Gruppen von Frauen nutzen das Fahrrad, um selbstständig mobil zu sein, Menschen ohne Auto nutzen Räder als günstigen Ersatz und umweltbewusste Bürger fordern mit der Radnutzung ein sozialeres und nachhaltigeres Leben in der Stadt.

 

In den letzten Jahren haben sich in den Städten Lateinamerika so immer mehr Formen des Fahrrad-Aktivismus gebildet. Mal handelt es sich um von Bürgern organisierte Aktivitäten, mal sind es Projekte der Regierung. Der Themenschwerpunkt in diesem Heft greift diese und weitere Aspekte rund um das Rad auf: Es geht unter anderem um den Radsport in Kolumbien (“Auf dem Weg nach oben”); Aktivisten und Organisationen verschiedenster Länder werden vorgestellt (u.A. “Por quê pedalar é um ato político”); Vicente Ugalde macht aber auch klar, dass das Fahrrad kein Allheilmittel für Probleme des städtischen Verkehrs ist (“Derecho a pedalear, derecho a la ciudad”). Unabhängig davon, wie man die derzeitigen Entwicklungen um das Fahrrad bewertet - dass es sich dabei um einen Prozess handelt, der die Gesellschaft verändern kann, ist klar. In diesem Sinne schreibt Martin Herrndorf treffend: ¡Viva la Velolución!


Inhaltsverzeichnis

Gesellschaft sociedad(e)

 

Tiefe Kluft in Venezuela

 

Das Kräftemessen zwischen Chavismus und Opposition ist noch lange nicht entschieden

von Harald Neuber

 

Los duenos de la calle

 

Una plática con Tamara de Anda sobre el acoso callejero en México

por Nora Schramm

 

Quem vai poder morar em Lisboa?"

Gegen den Gentrifizierungsprozess in Lissabon regt sich Widerstand

Von André Araújo Soares

 

Zwischen Krieg und Frieden

In Ubergangscamps sollen sich ehemalige FARC Kämpfer auf ein ziviles Leben vorbereiten

von Katharina Maur und Maris Laborde

 

Wer ist eigentlich Heesa Medina?

von Judith De Santis

 

Länderberichte

Chile, Bolivia, Guatemala, Argentina

 

 

Schwerpunktthema

¡Viva la velolución! Das Fahrrad als Politikum

 

Wo steht das Rad in...

Lateinamerikanische Beispiele für Fahrrad Aktivismus

von Mila Brill

 

Derecho a pedalear, derecho a la ciudad

En la Ciudad de México cambian los modos de moverse

von Gunda Wienke

 

Auf dem Weg nach oben

Radfahren in Lateinamerika

von Gunda Wienke

 

Bicicologista

Alternative Transportwege in Chile

von Claudio Olivares Medina

 

Porque pedalar é um ato político

Percepções de um ciclista em São Paulo

por João Paulo Amaral

 

¡Viva la Velolución!

Die neue lateinamerikanische Unabhängigkeitsbewegung auf zwei Rädern

von Dr. Martin Herrndorf

 

 

Pedaleando hacia una ciudad mejor

Un grupo de mujeres quiere cambiar las jerarquias en el tráfico urbano

 

Voces directas

Kultur - cultura

 

Ovarian Psycos

Frauenpower in Los Angeles

von Emily Thomey

 

Von der Fiktion eines besseren Brasiliens

Das 70. Filmfestival von Locarno

von Ute Mader

 

, Man muss darüber sprechen"

Interview mit Filmemacher Andrés Lübbert zu seinem Film ,,El color del camaleón"

von Verena Schmöller

 

Das Lied der Frauen vom Fluss:

Die ,Cantos de Sirena" von La Fura dels Baus

von Dirk Ufermann

 

Kein Postkarten-Brasilien

Da Cruz Brazilian Beats aus Bern

von Frank Keil

 

,,Fühl dich wohl, so wie du bist!"

Ein Interview mit der Kölner Band Chango Leon

von Carolin Freudenthal

 

 

Rezensionen reseñas resenhas

 

Musik Rezensionen zu

Profetas, Hotel Bossa Nova, Nomade Orquestra und Simon Poxyran

 

Kunstmusik-Kolonialismus-Lateinamerika

Barbara Alge (Hrsg.)

 

Madrid, Mexiko

von Antonio Ortuño

 

Squatting in Rio de Janeiro. Constructing Citizenship and Gender from Below

von Bea Wittger

 

Subalternativen. Postkoloniale Kritik und dekolonialer Widerstand in

Lateinamerika

Rebecca Steger /Marie Ludwig /Julia Brychcyet. al. (Hrsg.)

 

El clásico: Los Prisioneros

La voz de los '80

Gastón del Solar Falen


Artikel zum Lesen

Tiefe Kluft in Venezuela

Gesellschaft

Das Kräftemessen zwischen Chavismus und Opposition ist noch lange nicht entschieden

von Harald Neuber

Seit Wochen und Monaten suchen internationale Medien stets nach neuen Superlativen, wenn es um Venezuela geht. Denn die Krise in dem südamerikanischen Land spitzt sich immer weiter zu, ständig werden neue Niveaus der Konfrontation erreicht, die kurz zuvor kaum denkbar waren. Hilfe soll nun ausgerechnet von US-Präsident Trump kommen.

Derecho a pedalear, derecho a la ciudad

Schwerpunkt

En la Ciudad de México cambian los modos de moverse

por Dr. Vicente Ugalde

Para los visitantes ocasionales de la Ciudad de México que nacieron en la década de los setenta es evidente que el paisaje urbano ha cambiado en las últimas décadas.

„Fühl dich wohl, so wie du bist!“

Kultur

Ein Interview mit der Kölner Band Chango Leon

von Carolin Freudenthal

Das Latin-Rock-Trio aus Köln arbeitet gerade an seinem neuen Album. Vor den Aufnahmen wollen Chango Leon noch viele Live-Konzerte spielen. Carolin Freudenthal traf sie für Matices auf dem Streetlive 2017 in Leverkusen.