Matices feiert den 10. Geburtstag

Laudatio von Dr. Günther Maihold, Direktor des Ibero-Amerikanischen Instituts, Berlin

von Dr. Günther Maihold

Dies ist ein ermutigendes Signal in einer Zeit, in der sich das Interesse am „Fremden“ und am „Anderen“ oftmals im Oberflächlichen verläuft, in der die vertiefte Hinwendung zu Lateinamerika, Spanien und Portugal trotz allen Erfolges der spanischen Sprache zur Mangelware wird. Dies zu überwinden, immer wieder neue Blicke zu ermöglichen und unerwartete Blickwinkel zu eröffnen auf eine uns sehr nahe stehende aber doch verschiedene Welt, darin liegt das Verdienst von 10 Jahren Matices. Dies alles jenseits belehrender Diskurse oder langatmiger Ausführungen sondern im direkten Zugriff, im prägnanten Interview und der knappen Rezension.

 

Trotz schwieriger Rahmenbedingungen hat sich Matices behauptet, sich ihren Platz geschaffen unter den Kulturzeitschriften mit Bezug auf Ibero-Amerika und ihren frischen Zugang zum Gegenstand bewahrt. Wenige der Zeitschriften aus der „Gründerzeit“ in der Hochkonjunktur der Beschäftigung mit Lateinamerika, Spanien und Portugal haben überlebt, einigen ist die Luft ausgegangen, sie haben den Anfangselan nicht auf Dauer halten können und viele sind am abnehmenden öffentlichen Interesse gescheitert. Matices trat spät auf den Markt und hat sich trotz allem gut halten und neue Akzente setzen können. Und: Matices hat an der Brücke des Verstehens und gegenseitiger Verständigung mit gebaut, indem nicht nur über Lateinamerika, Spanien und Portugal geschrieben wurde, sondern Autoren und Autorinnen aus den Ländern eingeladen wurden. So ist ein anderes Bild entstanden, das sich nicht in vorgestanzten Formeln bewegt. All dies ist Programm und Verpflichtung, aber auch Anlass dafür, den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen Dank zu sagen für ein lang anhaltendes Interesse und Engagement jenseits etablierter Institutionen, Geldtöpfe und Fördermittel. Nur wer in der heutigen Zeit einmal persönlich die Suche nach Inserenten und Anzeigen betrieben hat, weiß die Mühsal zu würdigen, die hinter der Herausgeberschaft einer solchen Zeitschrift steht.

 

„Matices im Spanischen, bzw. matizes im Portugiesischen bedeutet soviel wie ‘Schattierungen’, ‘Nuancen’. Mit diesem Namen verbindet sich eine programmatische Zielsetzung: die Zeitschrift Matices berichtet über die Vielfalt lateinamerikanischer und iberischer Lebenswirklichkeiten“, heißt es im Internetauftritt der Zeitschrift, die jetzt mit Heft Nr. 40 ihr 10-jähriges Bestehen feiert. Im figurativen Sinn meint matizar auch „beleben“, wie es insbesondere in der Malerei Anwendung findet. Vielleicht liegt darin die maßgebliche Rolle, die Matices jenseits seines eigenen Selbstverständnisses für die Beschäftigung mit Spanien, Portugal und Lateinamerika gespielt hat. Sie hat den Interessierten einen vielschichtigen Zugang zum gesellschaftlichen und kulturellen Wandel in Lateinamerika, Spanien und Portugal verschafft, der immer den Plural der Entwicklungen in den Vordergrund stellte und damit vorschnelle Schablonen zu vermeiden wusste.

 

Diese Zeitschrift, die viele andere Zeitschriften überlebt hat und trotz aller finanziellen Engpässe und des internen Generationswechsels ihre belebende Wirkung für die Sicht auf den ibero-amerikanischen Kulturraum behalten hat, lebt davon, die verschiedenen Dimensionen von Gesellschaft, Politik und Kultur, von Aktualität und Analyse in eine spannende Konfrontation und manchmal auch völlig unerwartete Symbiose zu bringen; eben jene Tugend, die für den Erfolg von Zeitschriften und ihre Akzeptanz bei ihren Lesern maßgeblich ist.

 

„Matices wird von einem Verein herausgegeben, in dem alle Mitarbeiter und Redakteure ehrenamtlich ihre Freizeit für die Herstellung von Matices opfern“, hieß es in einem Rundschreiben an Abonnenten und Leser datiert vom 15. Mai 2003. Eine solche Mitteilung erweckt den Eindruck, bei Matices handle es sich um ein studentisches Blättchen, das ohnedies das erste Jahr seiner Existenz kaum überleben werde; indes:

 

Matices feiert sein 10-jähriges Jubiläum und stolze 40 Hefte, die den Vergleich mit anderen Zeitschriften nicht zu scheuen brauchen. An dieser Kontinuität wird erkennbar, dass jenseits der Begeisterung für ein Projekt und die vielschichtige kulturelle Welt Lateinamerikas, Spaniens und Portugals die tagtägliche Verpflichtung mit einem Produkt steht, das sich immer wieder seine Öffentlichkeit und seine Leser erkämpfen muss.

 

Vor dieser Leistung kann man nur den Hut ziehen.

 

Matices ist ein Kind Kölns, das weisen ihr Entstehen und ihre zunächst intensive und heute lockere Bindung an den Studiengang Regionalwissenschaften Lateinamerika an der Universität Köln aus. Ohne diese Bindung an immer neu sich engagierende Studierende und die Einbindung in aktuelle wissenschaftliche Diskussionen wäre es für Matices sicherlich schwerer gewesen, sich weiterhin erfolgreich positionieren zu können. Viele Absolventen dieses Studiengangs haben Matices das unverkennbare Gesicht gegeben, das sich gerade aus der Verbindung von privatem Engagement und wissenschaftlicher Beschäftigung für und mit Lateinamerika, Spanien und Portugal ergibt. Köln war und ist der Humus aus dem Matices erwachsen und auf dem sie gedeihen konnte. Die kulturelle Ausstrahlung der Stadt und ihre Latino-Szene sind dafür ein wichtiges Element, das vielleicht von den Redakteuren gar nicht so bemerkt wird. Aber Zeitschriften brauchen ihr Ambiente, um sich entwickeln und ihren Resonanzraum gestalten zu können. Die Beteiligung von Wissenschaftlern jenseits des Kölner Raumes, die Ausstrahlung auf andere Universitäten und Universitätsstädte bleibt für Matices eine zentrale Herausforderung, nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht.

 

In diesem Sinne ein herzlicher Glückwunsch an Herausgeber, Autoren und Redakteure von Matices, ganz im Sinne der weiteren Lebendigkeit und Belebung unserer Zeitschriften-Landschaft