Repression, Sanktion, Subversion

Die Hinrichtung von drei kubanischen Flüchtlingen sorgt für eisige Stimmung zwischen Europa und Kuba. Doch Fidel Castro zeigt sich wenig einsichtig in puncto Einhaltung von Menschenrechten.

von Susanne Aping

Kaum haben Poul Nielson, dänischer EU-Kommis sar für Entwicklung und humanitäre Hilfe, und Felipe Pérez Roque, Kubas Außenminister, Anfang März die neue EU-Vertretung in Havanna eingeweiht und sich gegenseitig verstärkter Zusammenarbeit versichert, schon stehen die Zeichen zwischen der Europäischen Union und dem Inselstaat auf Sturm. Grund für die neuen Zwistigkeiten ist die Reaktion der EU auf kürzlich erfolgte Menschenrechtsverletzungen im Land der ewigen Revolution.

 

Besagte Menschenrechtsverletzungen beziehen sich auf eine neue Welle der Repression gegen Kubas Regimekritiker und die Hinrichtung dreier kubanischer Schiffsentführer im Schnellverfahren: Die Männer hatten Anfang April ein Fährboot entführt und Kurs auf die USA genommen. In einer gemeinsamen Aktion beherzter Passagiere und eines Sondereinsatzkommandos wurden die Kidnapper überwältigt. Angesichts einer drei Tage zuvor erfolgten Entführung einer kubanischen Passagiermaschine mit gelungener Flucht in die USA, statuierte die kubanische Regierung mit der schnellen Exekution der Schiffsentführer ein Exempel zur Abschreckung weiterer potenzieller Delinquenten. Nach Hinrichtung der Geiselnehmer hatten die EU-Außenminister Kuba mit einer Verschlechterung der Beziehungen gedroht. Man bedauere, dass Kubas Behörden das bisherige De-facto-Moratorium bei der Vollstreckung der Todesstrafe mit der Exekution der Männer gebrochen hätten. Erschwerend hinzu kommt die jüngste Repressionswelle Havannas gegen Dissidenten des sozialistischen Staates: 75 Regimekritiker wurden unlängst zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt. Die griechische EU-Präsidentschaft erklärte, politische und kulturelle Kontakte zunächst stark einzuschränken und neu zu überdenken, da aufgrund der neuen Entwicklungen die EU eine Neubewertung ihrer Beziehungen zur Regierung von Staatschef Fidel Castro vornehmen müsse. Man verurteile die Exekutionen, die „Verhaftungswelle“, „die ungerechten Prozesse“ sowie „exzessiven und willkürlichen Urteile“, ließ Luxemburg verlautbaren. Als Reaktion auf die „bedeutende Verschlimmerung der Menschenrechtslage“ im Inselstaat forderte die EU die sofortige Freilassung aller politischen Häftlinge. Man werde seinerseits verstärkt Dissidenten zu offiziellen Anlässen in die EU-Botschaften einladen.

 

Weg in die Isolation

 

Den besagten Sanktionen setzte die kubanische Regierung eine über Nacht entfachte Mobilisierung der kubanischen Bevölkerung entgegen: begleitet von „Nieder mit dem Faschismus“- und „Lang lebe die Revolution“-Rufen demonstrierten Hunderttausende Bürger in Havanna gegen die Kuba-Politik der Europäischen Union. Unter Führung des Máximo Lider höchstpersönlich und seines Bruders und Stellvertreters Raúl Castro wurden dabei vornehmlich die spanische und die italienische Botschaft bestreikt. Staatliche Organe gaben die Gesamtzahl der Teilnehmer mit mehr als einer Million Menschen an, der Demonstrationstag wurde kurzerhand zum arbeitsfreien Tag erklärt. In einer landesweit ausgestrahlten Fernsehrede nur Stunden nach der Massendemo griff Castro die EU heftig an. „Flegelhaft und unverschämt“ seien die Sanktionen, so Castro, und lediglich Europas Reaktion auf den Druck des großen Bruders USA, der Kuba weiterhin unbegründet verfolge und diffamiere.

 

So legten die Vereinigten Staaten Ende April diesen Jahres den Jahresbericht über „Förderer des Internationalen Terrorismus“ vor, in dem Kuba als einer der Staaten bezeichnet wurde, die den Terrorismus auf internationaler Ebene unterstützen. Zudem wurde der Inselstaat im dritten „Jahresbericht zum Menschenhandel“ des US-Außenministeriums zusammen mit 15 weitere Staaten der unzureichenden Maßnahmen gegen den weltweiten Menschenhandel angeklagt. US-Außenminister Colin Powell hob bei der Vorstellung des Berichts hervor, dass die Vereinigten Staaten Finanzhilfen für militärische Zwecke sowie Bildungs- und Kulturprojekte streichen würden, sollten sich die angesprochenen Länder nicht bis zum 1. Oktober im Kampf gegen den Menschenschmuggel befinden, wobei die Zusammenarbeit mit Washington und ein Politikwechsel den Willen zur Besserung der jeweiligen Staaten unterstreichen würden.

 

Aufgrund dieser jüngsten Entwicklungen zwischen Kuba und den Vereinigten Staaten kapituliere die Europäische Union in ihrer Politik zu Kuba erneut vor der Regierung der USA, stellte Kubas Außenminister Felipe Pérez Roque auf einer Pressekonferenz zu den EU-Maßnahmen fest. Er verurteilte Europas Verhalten und sprach der EU die moralische Autorität ab, über Kuba den Stab zu brechen und hinsichtlich der grade erneuerten Bande zwischen dem sozialistischen Staat und der EU ein Drohultimatum zu stellen. Präsident Castro fand für die europäischen Sanktionen nicht nur harte Worte, sondern auch sogleich die Schuldigen: Verantwortlich für die harte Linie seien Spanien und Italien, so Castro in seiner Ansprache im kubanischen Fernsehen. José María Aznar und Silvio Berlusconi, die Regierungschefs der beiden Länder, seien „Faschisten“ und „Banditen“. Er, Castro, wisse, dass nicht alle Europäer gleich seien, bedauere aber, dass weitere Staaten wie Frankreich, Deutschland, Belgien und die Niederlande sich dieser Meinung angeschlossen hätten. Als erste Maßnahme seinerseits drohte der Máximo Lider mit der Schließung des spanischen Kulturzentrums in Havanna. Die Begründung: es fördere die „Subversion“ gegen die kubanische Regierung.