Ratgeber Reisen im Prosa-Look

Sieben Rosen im Atlantik von Jürgen und Marita Alberts

von Daniela Panteleit

Der Sommerurlaub ist für dieses Jahr gerettet. Was lesen, wenn man in einer der südlichen deutschen Kolonien am Strand brutzelt und die intellektuelle Leistung durch die Sonneneinwirkung auf ein Minimum reduziert ist (Un zerwesa por fawor)? Die Lösung: Micky Maus oder ein netter Roman von den Kanarischen Inseln. Im Angebot haben wir hier die Geschichte eines älteren deutschen Ehepaares, das sich - durch mehrmalige Aufenthalte auf Teneriffa auf den Geschmack gekommen - mit dem üblichen Gedanken trägt, ein eigenes Haus im südlichen Paradies zu erwerben, um dort für immer dem tristen Essener Alltag den Rücken zu kehren. Im Weihnachtsurlaub lernen die Ehrensteins einen ausgesprochen zuvorkommenden und auf die Gattin sehr anziehend wirkenden Reiseführer (!) - Sigmar Solbach in der Rolle des Gunter Hidalgo - kennen, der ihnen nahezu selbstlos „seine Insel“ zeigt. Diese zweifellos lehrreiche Inselführung wartet auf mit verträumten Landschaftsbeschreibungen, die einem ambitionierten Reiseführer zu entstammen scheinen, der sich befleißigt, die eindrucksvolle Vulkan- und Küstenlandschaft in poetisches Gewand zu kleiden. Läse man das Buch vorort, könnte man wohl getrost auf den beschriebenen Pfaden wandeln. Von der Landschaft bis zu den Witterungsverhältnissen bestimmter Jahres- und Tageszeiten - man erfährt alle Details. Zur weiteren Orientierung werden äußerst subtil in die Erzählung zahlreiche Ortschaften eingebaut.

 

Ortsunkundigkeit kann man den Autoren weiß Gott nicht vorwerfen. Sie lassen ihre Figuren fleißig Reisetips und topographisches Wissen austauschen. Und um sicher zu gehen, daß der Leser sich nicht verirrt, findet sich am Anfang des Buches eine Landkarte aller Kanarischen Inseln. Ja, der Roman spielt auf den Kanarischen Inseln.

 

In dieser gutgemeinten, realistischen Darstellung des Handlungsortes tauchen nun Figuren auf, die modernen Menschen wie Dir und mir nachempfunden sind: ein deutscher Maler mit Kind und spanischer Freundin, die neben ihrem Fotografenberuf auch eine Beschäftigung als Enkelin eines störrischen und typisch kanarischen Patriarchen - Don Jaime - hat. Letzterer zeichnet sich nicht nur durch seinen archetypisch südländischen Dickkopf aus. Er schlappt auch - würdevoll - jeden Tag in sein Stammlokal, wo er zusammen mit alten Freunden den vergangenen Zeiten seines Gold-gräberdaseins in Venezuela - der achten Kanarischen Insel, wie wir erfahren, nachtrauert. Dann gibt es noch ein weiteres unschuldiges deutsches Ehepaar, das auf Lanzarote einem Immobilienmakler auf den Leim geht, der - lesen wir genau - die gleichen Initialen trägt wie der nette Reiseführer der Ehrensteins. Der hat zwischendurch besagten teneriffahungrigen Deutschen den su-pergünstigen Erwerb einer traumhaft gelegenen Villa auf ihrer Lieblingsinsel in Aussicht gestellt.

 

Handlungsstränge treffen sich, Geheimnisse lösen sich auf. Am Ende finden sich die Ehrensteins, geneppt und erstmal todtraurig, als Untermieter des verschollenen und - deus ex machina - wiedergekehrten Sohnes des oben beschriebenen Patriarchen wieder. So wird ihr Traum zwar zu einer kanarischen Mietwohnung zusammengeschrumpft, doch die Freude ist groß. Und diese Wendung der Geschichte ist nicht überraschend. Der Roman kulminiert allerdings in einem offenen Ende, in dem der böse Makler das Fluchtflugzeug besteigt und der Interpol eine lange Nase macht. Die bange Frage stellt sich: Wer wird wohl sein nächstes Opfer sein?

 

Der Klappentext verspricht einen „Roman von den Kanarischen Inseln, der in die verborgensten Winkel von Teneriffa, Gran Canaria und Lanzarote führt und Geheimnisse enthüllt, von denen Reiseführer nie erzählen.“ Das macht schon ziemlich neugierig. Doch was mit diesem Buch letztendlich geboten wird, wirkt eher wie ehe Mischung aus einem Drehbuch für einen ZDF-Dreiteiler oder der Sendung ,,Nepper, Schlepper, Bauernfänger“.

 

Der Roman bietet nicht wirklich Einblick in unbekanntes Inselleben. Jeder Tourist hat sich mal in eine abgelegene Bodega verlaufen, in der nicht deutsch gesprochen wird - oder? Wanderreisende kennen die beschriebenen Routen bestimmt aus einschlägigen Reiseführern, und spanische Hochzeitsriten - nun ja. Was das Buch sympathisch macht, ist, daß man es in jedem Fall, sollte man vor dem Fernseher ausspannen wollen und der Strom ist ausgefallen, als gleichwertigen Ersatz bei Kerzenschein, einem Gläschen vino blanco und einem Schälchen Gofio konsumieren kann. Oder eben am heißen Strand von... P.S.: Wenn man zur Lektüre landestypische Gerichte (cazuelo de pescado por ejemplo) zubereiten möchte, findet man im Anhang des Buches die dafür erforderlichen Rezepte. Guten Appetit!

 

Jürgen und Maria Alberts: Sieben Rosen im Atlantik. Ein Roman von den Kanarischen Inseln. Kiepenheuer & Witsch, 1999. 283 Seiten. 16,90 DM.