César Vallejo

Der peruanische Lyriker in gelungener Übersetzung

von Petra Strien

Der Peruaner César Vallejo (1892-1938), einer der größten Dichter Lateinamerikas in diesem Jahrhundert, ist anders als Pablo Neruda oder Octavio Paz leider in Deutschland bisher kaum bekannt. 

 

Seit 1998 hat der kleine Rimbaud-Verlag sein ehrgeiziges, zunächst auf Frankreich spezialisiertes Lyrikprogramm auf die spanischsprachige Welt ausgedehnt und drei Lyrikbände mit den Hauptwerken des Peruaners César Vallejo in zweisprachiger Ausgabe vorgelegt: Trilce; Menschliche Gedichte; Spanien, nimm diesen Kelch von mir. Im Herbst dieses Jahres soll ein vierter Band mit dem noch dem Modernismus verhafteten lyrischen Frühwerk des Autors folgen.

 

Daß César Vallejo bisher hierzulande wenig Beachtung geschenkt wurde, ist verwunderlich, zumal er in England, Frankreich, Italien und den Vereinigten Staaten bereits seit den sechziger Jahren die gebührende Anerkennung gefunden hat. Ein Teil seines Werkes entstand sogar in Europa, wo er seit 1921 in Paris lebte und nicht nur engen Kontakt mit den französischen Surrealisten, sondern auch zur außergewöhnlich produktiven Literaturszene im Spanien der zwanziger und dreißiger Jahre pflegte. Im übrigen war sein Werk spätestens seit der zweiten Jahrhunderthälfte wegweisend für alle großen Lyriker spanischer Sprache.

 

Ein Grund für die zögerliche Rezeption Vallejos in Deutschland mag in der schier unlösbaren Aufgabe der Übertragung liegen, zumal bis 1989 eine kritische Textausgabe des Gesamtwerks fehlte. Vallejo hat mit der poetischen Sprache auf allen Ebenen des Ausdrucks und Inhalts bis an ihre Grenzen experimentiert, wodurch das Verständnis selbst für Muttersprachler äußerst erschwert ist: Auflösung der grammatikalischen, syntaktischen und logischen Bezüge auf der Ausdrucks- und der Inhaltsebene bis zur Unverständlichkeit; Bildung von Neologismen und Gebrauch seltener, semantisch entfremdeter oder in ihrer Bedeutung veralteter bzw. nur noch regional gebräuchlicher Wörter, gebrochene Metaphernstrukturen.

 

Bei aller Hermetik des lyrischen Stils berührt Vallejos poetische Sprache im gesamten Werk doch unmittelbar durch ihre starke emotionale Kraft und die zutiefst pessimistische Grundstimmung, die Vallejo bis in seine kämpferischen Gedichte während des Spanischen Bürgerkriegs von mitstreitenden Dichterkollegen wie Rafael Alberti oder Pablo Neruda unterscheidet. Dieses Grundgefühl der Hoffnungslosigkeit wird nicht zuletzt durch die im Kreis leerlaufende Zeit und die ausweglose Abgeschlossenheit des Raumes vermittelt, die als konstante Koordinaten sein lyrisches Universum durchziehen. Vallejos Thema sind die großen Inkognita der Romantik, für die er eine ganz persönliche, sehr konkrete, oft lautmalerisch verstärkte Bildsprache entwickelt hat, etwa die des Brotes im biblischen Sinne als Bild für den unstillbaren Hunger nach Transzendenz.

 

Der Herausgeber, Alberto Pérez, und Curt Mayer-Clason, als renommierter Übersetzer, haben in der deutschen Ausgabe alles getan, um dem Leser den Zugang zum Text zu erleichtern. Jedem der drei Bände ist ein umfangreiches Nachwort mit detaillierten Anmerkungen angehängt, das über Vallejos Leben und Werk und über die wichtigsten Erkenntnisse der aktuellen Vallejo-Forschung informiert.

 

Ein Lyrikübersetzer steht immer vor dem Dilemma des „traduttore-traditore“, wie es seit jeher im italienischen Volksmund heißt. Wie schon Voltaire wußte, bleibt dem Übersetzer nur die Wahl zwischen zwei Übeln: entweder schön und untreu oder treu und nicht schön. Meyer-Clasons deutsche Version lehnt sich eng an den Originaltext an und verzichtet zugunsten der Genauigkeit auf den schönen Schein eigener Nachschöpfungen. Ihm geht es ganz uneitel darum, die schöpferische Kraft von Vallejos lyrischer Sprache sichtbar zu machen. In ausführlichen Anmerkungen gibt er gewissenhaft Einblicke in die Probleme, die sich ihm bei der Übertragung der Gedichte stellten und führt den deutschen Leser so ganz nah an den Originaltext heran.

 

Der unschätzbaren Arbeit des Herausgebers sowie des Übersetzers und dem Mut des Rimbaud-Verlags ist es zu verdanken, daß uns Vallejos Lyrik jetzt also endlich in einer lesbaren und verläßlichen Fassung auf Deutsch vorliegt.

 

César Vallejo:

  • Trilce. 216 Seiten. 37,00 DM / Menschliche Gedichte -
  • Poemas Humanos. 310 Seiten. 39,00 DM /
  • Spanien, nimm diesen Kelch von mir - España, aparta de mí este cáliz. 99 Seiten. 35,00 DM.

Alle 3 Bände sind herausgegeben von Alberto Pérez-Amador Adam und aus dem Spanischen übersetzt von Curt Meyer-Clason. Aachen, Rimbaud Verlag, 1998.