Musikrezensionen 106


Os Tatuis - Os Tatuis

Das Fusion Jazz-Trio Azymuth wurde 1973 in Rio de Janeiro gegründet. Neben dem 2012 verstorbenen Keyboarder José Roberto Bertrami, der durch Kiko Continentino ersetzt wurde, wird die Band durch den Gitarristen/Bassisten Alex Malheiros und Schlagzeuger Ivan Conti komplettiert. Bevor Bertrami mit Azymuth international bekannt wurde, startete er seine Karriere 1965 im Alter von 19 Jahren mit seiner eigenen Band Os Tatuis, deren Bandname auf seinen Geburtsort Tatui zurückgeht. Am dortigen Konservatorium unterrichtete sein Vater und auch der 1946 geborene José bekam dort für zwei Jahre eine fundierte Ausbildung. Seine Begeisterung für Klassik hielt sich in Grenzen, die für Free Jazz, Jazz, Bossa Nova und Samba prägte ihn jedoch zeitlebens. Zu den Os Tatuis gehörten neben José und seinem Bruder Claudio, ein Kontrabassist, der unter anderem auf Alben von Gal Costa, Tom Zé und João Bosco zu hören ist. Auf den jetzt wiederveröffentlichten Aufnahmen (LP, CD, digital) spielt José Piano, ein weiterer Organist und eine Bläserfraktion ergänzen das Line-Up. Unter den insgesamt 12 aufgenommenen Titeln (unter anderem von Jobim, Mensecal und Lyra) befindet sich mit „A Bossa do Zé Roberto“ die erste Eigenkomposition von Bertrami, ein Bossa Jazz. 

 

von Frank Keil


José Roberto Trio

Ein Jahr nachdem er mit Os Tatuis debütierte, veröffentlichte der später mit Azymuth international bekannt gewordene Keyboarder José Roberto Bertrami 1966 mit seinem Trio eine LP. Diese wird jetzt auf dem britischen Far Out- Label wiederveröffentlicht (LP, CD, digital), einer Plattenfirma mit langjährigem Brasilien-Schwerpunkt. Auch das José Roberto Trio legt seinen musikalischen Schwerpunkt auf Jazz, Samba und Bossa Nova. Unterstützt von seinem Bruder Cláudio am Kontrabass und Schlagzeuger Jovito Coluna, setzte das Trio Kompositionen von Baden Powell, Manfredo Fest und Marcos Valle um. Mit „Lilos Watts“, „Kebar“ und „Talhuama“ enthält das Album auch drei Stücke aus der Feder von José. Sein Trio wurde mit diesen Aufnahmen Teil einer Szene, zu deren Aushängeschild das Tamba Trio Mitte der 1960er Jahre in Brasilien avancierte. Auch diese 12 Stücke nehmen die spätere Virtuosität und Genialität des 2012 verstorbenen Musikers vorweg, die unter anderem in dem Hit „Jazz Carnival“ mündete. Ebenso bleibt seine Zusammenarbeit mit Künstlern wie Chico Buarque, Jorge Ben Jor oder Milton Nascimento bis heute für viele unvergessen 

 

von Frank Keil


Slow J - sLo-Fi (Sente Isto)

Joao Batista Coelho wurde 1992 in Setúbal (Portugal) geboren. Während seiner Kindheit und Jugend kam er durch Umzüge und Reisen in Kontakt mit verschiedensten Kulturen und Einflüssen und wurde dabei ständig von der Musik begleitet. In London produzierte er dann seine ersten Beats. Als er kurze Zeit später nach Portugal zurückkehrte, stürzte er sich virtuos auf die Produktion seines ersten Albums. The Free Food Tape wurde 2015 released. Das Album vereint entspannte Kopfnicker-Beats mit Slow J’s Flow, der repräsentativ für eine neues portugiesisches Genre steht. Auf seinem zweiten Album, The Art auf Slowing Down, experimentiert Slow J mit neuen Sounds, teilweise mit mehr Power, mehr Theatralik aber auch mehr Temperament, zeigt er, was er drauf hat und das HipHop, Rappen und Produzieren sein Zuhause sind. You Are forgiven kam 2019 raus. Auf dem Zenit seiner musikalischen Entwicklung verarbeitete der Rapper die Suche nach der eigenen Identität gekonnt schön und melancholisch und bereichert das Album durch ein Feature mit Sara Tavares. Auf seinem neuesten Album sLo-Fi hat er sich ganz auf das Produzieren konzentriert und komplett auf Vocals verzichtet. Wer weiß, was er sich für sein nächstes Album einfallen lässt. 

 

von Sarah Brendel 


La Vela Puerca ft. SHARIF - Somos los Hijos del Viento (Guspira Records)

Nach neun Studioalben, zwei Live-Alben und einer DVD bringt La Vela Puerca in diesem Jahr gleich mehrere neue Singles raus. Die Ska-Punk-Band aus Uruguay hat in Deutschland vor allem als Support-Band für Die Ärzte Bekanntheit erlangt. Mit ihrer ersten Single seit dem 2018 erschienen Album ‘Destilar’ drehen sie ihrem fröhlichen Punk-Dasein für einen Moment den Rücken zu. Somos los Hijos del Viento ist ein Stück, das in Kooperation mit dem Musiker Sharif entstanden ist und vor allem eins zeigt: die acht Lavelapuercaner können nicht nur schrammige Gitarren, melancholische Melodien und Ska-Fun(k). Bereits in den ersten 20 Sekunden offenbaren sich querbeet und doch aufeinander abgestimmt verschiedene Elemente: die klassischen Gitarren-Riffs, ein forderndes Schlagzeug und just in dem Moment, als man den typischen La Vela Puerca Vibe erwartet – Rap! Kooperationen mit anderen Musikern kennt man von der 1995 gegründeten Band bereits. Mit Sharif bewegen sie sich auf einem fast neuem Terrain. Aber eben nur fast. Obwohl für eingefleischte Fans und Liebhaber*innen der Ska-Punk-Szene Sharifs Rapgesang etwas befremdlich wirken kann, zeigen sich nicht zu selten die altbekannten La Vela Puerca Elemente. Spätestens beim Chorus, der bei dieser Band gerne zum Mitsingen animiert, ist der Bogen zum Ska wieder gespannt. Neben Somos los Hijos del Viento sind mit La Pastilla und Jugando con Fuego in diesem Jahr zwei weitere Singles der Band erschienen. Wer von La Vela Puerca bisher noch gar nichts gehört hat, wird mit Va A Escampar vom 2008er Album A Contraluz einen guten Einstieg finden. 

 

von Laura Gutensohn